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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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die wundervolle Zukunft erleben«, gab Emily zu bedenken.
    »Da haben Sie Recht«, sagte er ernst. Mit einem Mal war alle Scherzhaftigkeit von ihm abgefallen. Sie sprachen über Dinge, die ihnen allen am Herzen lagen. Nur Rose stand nach wie vor reglos, immer noch unter dem Eindruck der Befürchtungen, die sie hegte.
    »Mehr Gerechtigkeit würde auch für mehr Essen sorgen«, sagte Aubrey mit leidenschaftlichem Ernst. »Aber die Menschen hungern nicht nur nach Brot, sondern auch nach Visionen. Sie müssen an sich selbst glauben können, müssen überzeugt sein, dass das, was sie tun, mehr ist als lediglich schwere Arbeit für das Allernötigste zum Leben. Bei vielen aber langt es nicht einmal dazu.«
    In ihrem Herzen stimmte Emily mit ihm überein, aber der Verstand sagte ihr, dass er mit seinen Träumen der Realität zu weit vorauseilte. So glänzend und schön sie waren, sie ließen sich nicht verwirklichen.
    Ein Blick auf Rose zeigte ihr, dass der Ausdruck ihrer Augen und um ihren Mund herum sanfter wurde. Ihr fiel auf, wie bleich die Freundin war. Trotz des Dufts von Seerosen und feuchter Erde, trotz der Wärme des Sonnenlichts auf dem Steinfußboden spürte sie die Angst, die in der Luft lag und alles andere überdeckte. Da Emily wusste, wie glühend Rose Aubreys Überzeugungen teilte, wenn sie darin nicht noch weiter ging als er, überlegte sie, was diese so dringend wissen wollte, dass sie entschlossen zu sein schien, ein weiteres Medium aufzusuchen.
    Was aber war Maude Lamont widerfahren? Hatte sie einmal zu oft eine politische Erpressung versucht, ein zu gefährliches Geheimnis gekannt? Oder steckte eine Beziehungstragödie
dahinter, ein betrogener Liebhaber, die Eifersucht eines Mannes, der geglaubt hatte, ein anderer habe ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt? Hatte sie versprochen, eine Botschaft aus der anderen Welt weiterzugeben, bei der es beispielsweise um Geld ging, und sich dann geweigert, das zu tun? Es gab hundert Möglichkeiten. Es brauchte überhaupt nichts mit Rose zu tun zu haben – aber Thomas war nicht im Auftrag der Bow Street dort gewesen, sondern als Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes!
    Handelte es sich bei dem Unbekannten womöglich um einen Politiker, der ihr Liebhaber war oder gern gewesen wäre? Vielleicht hatte er sich ihr voll Leidenschaft genähert, war abgewiesen worden und hatte sich wegen dieser Demütigung gegen sie gewandt und sie getötet?
    Diese Möglichkeit hatte Pitt bestimmt auch schon erwogen.
    Sie sah zu Aubrey hinüber. Sein Gesichtsausdruck wirkte auf den ersten Blick ernst, doch stets lag in seinen Augen ein Anflug von Belustigung, als habe er einen köstlichen Witz erkannt, den er niemandem mitzuteilen bereit war. Vielleicht war das der Hauptgrund, warum sie ihn so gut leiden konnte.
    Rose verharrte nach wie vor in derselben Stellung. Sie hatte zwar Aubreys Worte gehört, doch zeigte ihre starre Haltung, dass sie ihren Streit mit Emily nicht vergessen hatte, ihrem Mann aber nichts darüber sagen wollte.
    Mit ihrem strahlenden Lächeln, das sie in Gesellschaft aufzusetzen pflegte, sagte Emily, wie schön es gewesen sei, sie beide zu sehen. Sie wünschte Aubrey Erfolg und bekräftigte erneut, dass sie und Jack ihn unterstützen würden. Dann verabschiedete sie sich. Rose begleitete sie höflich bis ins Vestibül. Zwar klang ihre Stimme munter, aber ihre Augen waren hart und kalt.
    Während sich ihr Kutscher seinen Weg durch das Gewimmel von Landauern, Droschken, Pferdeomnibussen und einem Dutzend anderer Arten von Fahrzeugen bahnte, überlegte Emily, was sie Pitt sagen oder ob sie überhaupt mit ihm sprechen sollte. Bestimmt war Rose überzeugt, dass sie es tun würde. Sie verhielt sich geradezu so, als hätte sie sie bereits hintergangen. Diese Ungerechtigkeit erboste sie.
    Eigentlich aber erschien es ihr richtig, Pitt alles zu sagen, was ihm nutzen konnte, alles, was geschehen war. Auf diese Weise würde sie ihrer Überzeugung nach Rose ebenso helfen wie anderen Menschen.
    Dann aber ging ihr auf, dass das wohl nicht stimmte. In erster Linie ging es ihr um die Wahrheit und um Jack. Während sie dasaß und über den Tod des Mediums nachdachte, hatte sie beständig Jacks Gesicht vor dem inneren Auge. Es kam ihr vor, als säße er neben ihr. Sie konnte Aubrey gut leiden und wünschte ihm den Unterhaussitz reinen Herzens, nicht nur, weil er dann Gutes bewirken konnte, sondern einfach um seiner selbst willen. Aber die Befürchtung, das könne auf Jacks Kosten geschehen,

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