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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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und hielt den Blick auf das kleine Seerosenbecken gerichtet. Auch sie trug ein Ausgehkleid, dessen kräftiges
Olivgrün und weiße Spitze sie im Zusammenspiel mit ihrem blonden Haar und dem außergewöhnlich schlanken Leib wie eine exotische Wasserpflanze erscheinen ließ.
    Als Emily näher trat und Rose den Blick hob, sah sie die Anspannung im Gesicht der Freundin, die unruhig an ihrem Seidenkleid herumzupfte. Schlagartig schien die sonst für sie so kennzeichnende extravagante Eleganz verschwunden zu sein.
    »Emily! Wie schön, dich zu sehen!«, sagte sie. Bei diesen Worten trat Erleichterung auf ihre Züge. »Ich hätte niemanden außer dir empfangen, das schwöre ich dir!« Ihr Gesicht nahm einen verwirrten Ausdruck an. »Jemand hat Maude Lamont getötet! Vermutlich weißt du das schon, es stand ja in der Zeitung. Zwei Tage ist das jetzt her … und ich war an jenem Abend in ihrem Hause. Stell dir vor, Emily, vorhin war die Polizei bei mir. Ich weiß gar nicht, wie ich es Aubrey erklären soll. Was kann ich ihm nur sagen?«
    Dies war kein Zeitpunkt für unverbindliches Geplauder, jetzt musste praktisch gedacht werden. Sofern Emily etwas Verwertbares erfahren wollte, durfte sie keinesfalls zulassen, dass Rose die Unterhaltung beherrschte. Sie wandte sich sofort dem ersten Punkt zu, auf den es ankam. »Hat Aubrey denn nicht gewusst, dass du bei einem Medium warst?«
    Rose schüttelte leicht den Kopf, wobei sich der Lichtschein in ihrem schimmernden Haar brach.
    »Warum hast du es ihm nicht gesagt?«
    »Es wäre ihm nicht recht gewesen!«, erklärte Rose. »Er glaubt nicht daran.«
    Emily dachte einen Augenblick lang darüber nach. In dieser Begründung steckte eine Unwahrheit. Augenscheinlich wollte Rose etwas verbergen. Auch wenn Emily nicht wusste, was das war, war sie sicher, dass es mit dem Grund zusammenhing, aus dem Rose das Medium aufgesucht hatte.
    »Es wäre ihm ein wenig peinlich«, erklärte Rose überflüssigerweise, den Blick zu Boden gerichtet. Dabei lag ein angedeutetes Lächeln auf ihren Lippen.
    »Aber trotzdem bist du zu ihr gegangen«, stellte Emily fest. »Sogar jetzt, so kurz vor der Wahl. Also war dir das wichtiger
als Aubreys Wünsche, und du hast in Kauf genommen, dass es ihm schaden könnte. Bist du eigentlich wirklich sicher, dass er die Wahl gewinnt?« Sie bemühte sich, das mitfühlend klingen zu lassen und aus ihrer Stimme das Unverständnis herauszuhalten, das sie angesichts einer so naiven Selbstgefälligkeit empfand.
    Die Augenbrauen der Freundin hoben sich mit einem Mal. Sie setzte zu einer Antwort an, doch erstarben ihr die Worte auf den Lippen. »Ich war mir sicher«, sagte sie dann und fuhr mit eindringlicher Stimme fort: »Glaubst du … glaubst du, die Sache könnte die Wahl beeinflussen? Ich habe sie nicht umgebracht! Um Gottes willen – ich brauche sie lebendig!«
    Es war Emily klar, dass sie sich in fremde Angelegenheiten einmischte, aber jetzt blieb keine Zeit für Feingefühl. »Wozu hast du sie gebraucht, Rose? Was konnte sie dir geben, was dir so wichtig ist?«
    »Sie war natürlich meine Verbindung zur anderen Seite!«, sagte Rose ungestüm. »Jetzt muss ich jemand anders finden und wieder von vorn anfangen! Dabei ist so wenig Zeit bis …« Sie schluckte den Rest herunter im Bewusstsein, bereits zu viel gesagt zu haben.
    »Wovon sprichst du?«, setzte Emily nach. »Hat es mit der Wahl zu tun?« Mit einem Mal schoss ihr die Frage durch den Kopf, warum sich Thomas nach wie vor in London aufhielt.
    Mit undurchdringlicher Miene vollendete Rose ihren Satz: »… bis Aubrey die Wahl gewinnt und seinen Platz im Unterhaus einnimmt, denn danach werde ich sehr viel weniger private Freiräume haben.«
    Sie log nach wie vor oder sagte zumindest höchstens die halbe Wahrheit, doch konnte Emily das nicht beweisen. Warum nur? Verbarg sich dahinter ein politisches oder ein persönliches Geheimnis? Auf welche Weise ließ sich das feststellen? »Was hast du dem Polizeibeamten gesagt, der hier war?«, erkundigte sie sich.
    »Ich habe ihm über die beiden anderen Besucher berichtet, die an dem Abend da waren, was sonst?« Rose erhob sich und trat zu dem gusseisernen Tischchen, auf dem eine Vase mit Pfingstrosen und Rittersporn stand. Geistesabwesend zupfte
sie an den Stielen herum, was das Arrangement nicht verschönerte. »Der Mann aus der Bow Street schien zu glauben, dass es einer von denen war.« Mit einem Achselzucken versuchte sie das Zittern zu verbergen, das sie überlief.

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