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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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herauszufordern.
    »Damit würde er seine Zeit vergeuden, und es wäre auch kaum nötig«, entgegnete Emily lächelnd. »Er ist mein Schwager und weiß über mich schon alles, was er wissen möchte.« Es belustigte sie einen Augenblick lang zu beobachten, wie entsetzt Rose die Mitteilung aufnahm und wie sie sichtlich überlegte, ob sich Emily über sie lustig machte oder nicht. Als sie begriff, dass es stimmte, war sie voll Zorn. »Der verdammte Polizist ist mit dir verwandt?«, fragte sie angewidert. »Ich finde, dass du das angesichts der Umstände ruhig hättest sagen können!« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Andererseits nehme ich an, dass ich es wohl auch niemandem sagen würde, wenn ich mit einem Polizisten verwandt wäre. Nur würde es nie so weit kommen!« Der beleidigende Ton, in dem sie das sagte, war durchaus beabsichtigt.
    Emily spürte, wie Wut in ihr aufstieg. Sie sprang auf und hatte schon eine böse Antwort auf der Zunge, als sich die Tür öffnete und Aubrey Serracold hereinkam. Auf seinem schmalen, gut geschnittenen Gesicht lag der übliche gut gelaunte Ausdruck, und seine Mundwinkel waren leicht nach oben gebogen, als sei er jeden Augenblick bereit, jemandem zuzulächeln, der es verdient hatte. Seine hellen Haare fielen ihm auf einer Seite ein wenig in die Stirn. Wie immer war er tadellos gekleidet. Er trug zu einem schwarzen Jackett eine dezent gestreifte Hose, und seine Krawatte war mustergültig gebunden. Vermutlich sah sein Kammerdiener darin eine Kunstform. Obwohl die Kälte, die in diesem Augenblick zwischen den Frauen herrschte, am Abstand zwischen ihnen wie auch an ihrer halb abgewandten Körperhaltung ablesbar war, verlangte der gute Ton, dass er so tat, als habe er nichts bemerkt.
    »Emily, wie schön, Sie zu sehen«, sagte er mit so natürlicher
Anmut, dass man einen Augenblick lang hätte glauben können, ihm sei die angespannte Atmosphäre im Raum nicht aufgefallen. Während er auf sie zutrat, berührte er Rose im Vorübergehen zärtlich am Arm. Zu Emily sagte er: »Sie stehen ja. Ich hoffe, das bedeutet, dass Sie gerade gekommen sind und nicht etwa, dass Sie schon aufbrechen wollen? Ich fühle mich ein wenig mitgenommen, etwa so wie ein überreifer Pfirsich auf dem Obstteller, den zu viele Gäste kurz in die Hand genommen und wieder zurückgelegt haben.« Er lächelte trübselig. »Ich hatte keine Ahnung davon, wie entsetzlich öde es sein würde, mit Leuten zu debattieren, die einem nicht zuhören, weil sie längst zu wissen glauben, was man meint, und ohnehin überzeugt sind, dass alles, was man sagt, Unsinn ist. Haben Sie Tee getrunken?«
    Er sah sich um, entdeckte aber weder ein Tablett noch irgendwelche anderen Hinweise auf eine kürzlich aufgetragene Erfrischung. »Vielleicht ist es dafür ja auch zu spät. Ich glaube, ich nehme einen Schluck Whisky.« Er griff nach dem Klingelzug, um den Butler herbeizurufen. An einem leichten Aufblitzen seiner Augen war zu sehen, dass er bewusst so viel redete, um das Schweigen zu überdecken. Er fuhr fort: »Jack hat mich schon darauf hingewiesen, dass die meisten Menschen längst wissen, was sie glauben, und zwar entweder dasselbe wie ihre Väter – und Großväter – oder in einigen Fällen das genaue Gegenteil, so dass jedes Argument, mit dem man seine Position stützt, in den Wind gesprochen ist. Ich gebe zu, dass ich ihn damals für zynisch hielt.« Er zuckte die Achseln. »Sagen Sie ihm bitte, dass mir das Leid tut. Was er gesagt hat, zeugt von unendlicher Weisheit.«
    Emily zwang sich, sein Lächeln zu erwidern. Sie war in manchen Dingen anderer Meinung als Aubrey, vorwiegend in politischen Fragen, doch trotzdem konnte sie ihn gut leiden, und an der gegenwärtigen Situation trug er nicht die geringste Schuld. Er war ein blitzgescheiter und schlagfertiger Gesprächspartner und nur äußerst selten unfreundlich. »Reine Erfahrung«, gab sie zurück. »Er sagt, dass die Leute nicht mit dem Kopf abstimmen, sondern mit dem Herzen.«
    »In Wirklichkeit meint er den Bauch.« Die Fröhlichkeit in
Aubreys Augen erlosch, als er zu lachen aufhörte. »Wie können wir je die Welt verbessern, wenn wir nicht über das morgige Abendessen hinausdenken?« Er sah zu Rose hinüber, doch die verharrte in finsterem Schweigen und hielt sich nach wie vor halb von Emily abgewandt, als sei sie nicht bereit, deren Anwesenheit länger zur Kenntnis zu nehmen.
    »Nun, wenn wir morgen Abend nichts zu essen haben, werden weder wir noch unsere Kinder

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