Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
streckte ich mich auf dem Teppichboden aus. »Das haben wir in der Mittelstufe mal in der Jazzband gespielt, glaube ich.«
Kendrick lehnte sich nach hinten, stützte sich auf die Ellenbogen und streckte die Beine aus. »Welches Instrument hast du denn gespielt?«
»Saxophon.« Ich lauschte dem Lied mit geschlossenen Augen und spürte, wie vertraut mir das alles plötzlich vorkam. »Ich frage mich, ob ich schon mal hier unten gewesen bin. Vor gestern, meine ich natürlich.«
Kendrick wollte gerade etwas erwidern, als mein Handy klingelte. Als ich Parkers Namen auf dem Display las, musste ich rangehen. »Ja?«
»Ist Kendrick bei dir?«, fragte er sofort.
»Ja, die ist hier. Wir holen gerade ein paar Sachen aus der Wohnung von meinem Vater.«
Kendrick erstarrte und lauschte angestrengt.
»Gut. Healy möchte, dass ihr beide zum unterirdischen Krankenhaustrakt kommt«, sagte Parker.
»Hat er auch gesagt, warum?«
»Er will, dass du mit Agent Collins sprichst«, sagte Parker und fügte dann hinzu: »Dass du Agent Collins verhörst. Er hat ausdrücklich nach dir gefragt.«
Ich legte auf und schaute Kendrick an. »Hast du schon mal ein Verhör geführt?«
»Nein. Noch nie.«
23
20. Juni 2009, 15:00 Uhr
Healy stand vor der verschlossenen Tür und wollte gerade den Code eingeben. Er hielt inne und schaute mich erneut an. »Denk an die Verhörtechniken, die Agent Parker dir gezeigt hat. Gib ihm was, das er gerne hätte, und fordere dafür doppelt so viel zurück.«
Ich hatte Parker einige Stunden dabei zugesehen, wie er den inneren Widerstand der anderen drei gefangenen Feinde der Zeit gebrochen hatte. Er hatte herauszubekommen versucht, wer Eyewall leitete, wer dort das Sagen hatte und wie und wann das alles angefangen hatte. Das Einzige, was wir nach der Befragung dieser drei Agenten wussten, war, dass Collins bei ihnen das Sagen hatte. Jetzt mussten wir noch herausfinden, wer im Hintergrund die Fäden zog.
»Ja, ich verstehe.« Ich wischte mir die Schweißhände an der Jeans ab und holte tief Luft.
»Er wollte ausdrücklich mit dir sprechen. Er ist bereit auszupacken«, sagte Healy, aber das hatte ich an diesem Tag schon ein Dutzend Mal gehört.
Die Tür ging auf. Ich trat ein und gab mir Mühe, nicht zusammenzucken, als die Tür hinter mir mit einem lauten Knall wieder zufiel. Collins saß mit dem Rücken an der Wand auf dem Boden. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah wesentlich ruhiger aus, als die anderen gewirkt hatten.
»Agent Meyer. Das hat ja ganz schön lange gedauert, bis die sie hergebracht haben«, sagte er in einem ruhigen, gar nicht bedrohlichen Ton, der mich noch nervöser machte.
»Ich hatte zu tun.«
»Sicher.« Er wies auf den Tisch in der Mitte des Raumes, und wir setzten uns einander gegenüber. »Da meine Zukunft außerhalb dieses Ortes momentan ein wenig in der Schwebe ist, muss ich Sie etwas fragen.«
»Zuerst stelle ich Ihnen mal eine Frage«, erwiderte ich und zeigte dabei auf mich.
»In Ordnung.«
»Was wird jetzt, wo Ihre Anführer gefangen genommen wurden, aus den anderen Eyewall-Agenten?«
Er bedachte mich mit einem arroganten Grinsen. »Wir haben natürlich Ersatzleute, genau wie Tempest.«
»Klar, weil die Welt ja bekanntlich untergeht, wenn Sie uns nicht aufhalten.« Ich verdrehte die Augen und erwartete eine sarkastische Erwiderung von ihm.
»Ehrlich gesagt bin ich mir da gar nicht sicher. Diese Schlacht ist zu unübersichtlich geworden, um darin noch den Überblick zu behalten – und den Hauptgrund dafür noch zu verstehen, warum wir den Kampf überhaupt aufgenommen haben.« Er beugte sich vor und sah mich so eindringlich an, dass es mir so vorkam, als würde er mein Hirn röntgen. »Und ich glaube nicht, dass ich momentan der einzige Soldat bin, der ein wenig verwirrt ist. Hab ich recht, Agent Meyer?«
Okay, ich bin ganz eindeutig eine Niete im Verhören.
Ich beschloss, es auf eine andere Tour zu versuchen. »Sie wurden von einem Mädchen überwältigt, wie ich hörte?«
Er lachte und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ja, das ist wohl wahr. Wir wussten zwar, dass sie bei Tempest ist, aber ich habe ehrlich gesagt immer gedacht, sie wäre in Ihrem Zweier-Team eher für die intellektuelle Seite zuständig. Darum habe ich ihre Kampfkünste für den Bruchteil einer Sekunde unterschätzt, und wie Sie wissen, kann das schon ausreichen.«
»Er wird Sie nicht töten«, sagte ich, dem Befragungsplan folgend, den Parker für mich entworfen hatte.
Weitere Kostenlose Bücher