Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
Sache ansetzen, wenn ihm das alles nicht auch Kopfzerbrechen bereiten würde. Die meisten, wenn nicht alle heute für Eyewall tätigen Agenten wissen wahrscheinlich noch nicht mal irgendwas von Zeitreisen«, sagte Kendrick. »Collins ist ganz von selbst auf die Idee gekommen.«
Als wir durch einen verlassenen Teil des Parks gingen, bemerkte ich, dass sich rechts von mir etwas bewegte. Sofort beschleunigte sich mein Puls. Denn was ich sah, war kein Eyewall-Agent oder Feind der Zeit. Es war nicht einmal ein Erwachsener, sondern ein kleines rothaariges Mädchen, das allein durch den Park lief. Ich packte Kendrick am Ärmel. »O Gott. Du ahnst es nicht –«
»Moment mal, ist das etwa –?«, fragte Kendrick, die jetzt in dieselbe Richtung schaute wie ich.
»Emily«, flüsterte ich.
»Ist sie es wirklich?«, fragte Kendrick.
Ich schaute wieder zu dem Kind, das gerade einen großen Mülleimer durchwühlte. »Ich bin mir nicht ganz sicher. Normalerweise kommt sie zu mir, so als hätte sie einen Auftrag zu erfüllen.«
Kendrick führte, ohne den Blick von mir abzuwenden, ihr Handy ans Ohr. Ich hatte sie nicht mal wählen sehen. »Stewart. Komm bitte zur Wohnung von Agent Meyer, okay?«
Ich ging auf das kleine Mädchen zu und spürte, dass Kendrick mir folgte.
»Sie sieht kleiner aus, zu klein«, murmelte ich.
»Woher sollen wir wissen, dass sie es wirklich ist?«
Der kleine Kopf tauchte wieder aus dem Mülleimer auf; das Mädchen hielt nun die Reste eines Bagels in den Händen. Im Dunkeln konnte ich sein Gesicht nicht gut sehen, aber das war auch nicht notwendig: Das Weiße in seinen Augen war gut sichtbar, und seine Stimme zitterte, als es ängstlich einige unzusammenhängende Worte auf Farsi sprach.
»Okay, es gibt wohl kaum obdachlose Kinder in New York, die fließend Farsi sprechen«, flüsterte Kendrick.
»Und dann auch noch eine blasse Haut und rote Haare haben«, fügte ich hinzu. Ich ging näher heran, doch die kleine Emily wich mit ihrem schmutzigen Bagel-Rest in den Händen zurück. »Ich glaube, sie erkennt mich nicht.«
»Emily?«, sagte Kendrick, während sie zu mir aufrückte.
Da drehte das Mädchen sich abrupt um und lief davon.
»Emily, warte!«, rief ich hinter ihr her.
»Sie springt nicht«, sagte Kendrick, während wir hinterherrannten. »Vielleicht kann sie es nicht. Wir müssen sie unbedingt aufhalten, und wenn wir sie unsanft festhalten müssen.«
Genau das tat Kendrick dann auch. Wir hatten keine andere Wahl, als das zarte Mädchen mit Gewalt festzuhalten. Die Polizei würde sie finden oder andere finstere Gestalten. Sie trat um sich und versuchte sich unserem Griff zu entwinden, gab dann jedoch irgendwann auf. Tränen liefen ihr übers Gesicht.
»Sag etwas auf Farsi zu ihr«, forderte ich Kendrick auf.
Ich kniete mich auf den Rasen und betrachtete sie eingehend. Sie war so schmal. Die anderen Versionen von Emily waren schon dünn gewesen, doch dieses Kind war geradezu ausgemergelt. Ich wusste, dass Kendrick sich bestimmt ebenfalls um Emilys Gesundheit sorgte, da sie beim Festhalten spüren musste, dass das kleine Mädchen nur noch aus Haut und Knochen bestand.
»Wir tun dir nichts, Emily, das verspreche ich dir«, sagte Kendrick auf Farsi und wies dann mit dem Kinn auf mich. »Kennst du ihn? Erkennst du ihn wieder?«
Emily schüttelte energisch den Kopf.
»Aus welchem Jahr kommst du?«, fragte ich.
Emily schwieg. Statt zu sprechen, zeigte sie mit den Fingern die Zahl drei an.
»Drei?«, fragte ich.
»Drei zwei null null«, sagte Emily auf Farsi.
Kendrick und ich hielten den Atem an. »Ach, du Schande«, murmelte Kendrick dann, ließ Emily los und setzte sich auf ihre Füße.
Das Kind zögerte nicht lange. Es sprang auf und machte Anstalten, wieder wegzurennen. Es kam jedoch nicht weit, vielleicht weil ihm schwindlig wurde, denn nur wenige Sekunden später fiel es schwer keuchend auf seine Knie.
Ich hob Emily vom Boden auf, und sie wehrte sich nicht. Ihr Kopf pendelte hin und her, als hätte sie das Bewusstsein verloren. »Meinst du, das sind die Folgen ihres Sprungs? Irgendwelche Nebenwirkungen?«
Kendrick fühlte Emilys Puls, während wir mit ihr im Arm weitergingen. »Ihr Herz rast, und sie ist halb ohnmächtig. Und sieh sie dir an, völlig abgemagert. Wahrscheinlich ist sie dehydriert und unterernährt.«
Wir gingen schnellen Schrittes zu dem Weg, der zu Dads Wohnung führte, fassten also unser ursprüngliches Ziel wieder ins Auge, ohne einen richtigen Plan zu
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