Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
geschlummert hatte, so wie Kendrick jetzt? Offenbar war mein Körper inzwischen darauf trainiert, mit sehr wenig Schlaf auszukommen.
»Jackson? Wach auf«, sagte Stewart und knuffte meine Schulter. »Wir landen in fünf Minuten.«
Hat sie mich gerade Jackson genannt und nicht Junior?
Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und reckte die Arme über den Kopf. »Wow, ich hätte nie gedacht, dass ich fest einschlafe. Und? Haben sich irgendwelche Feinde der Zeit blicken lassen?«
Stewart klappte den Tisch hoch und ließ den Riegel einrasten. »Ja, ungefähr zehn Stück. Aber es hatte keiner von uns Lust aufzustehen, also haben wir Dr. Melvin vorgeschickt, damit er sich mit ihnen auseinandersetzt.«
Ich lachte und gähnte zugleich. »Der hat sie wahrscheinlich mit Süßigkeiten bestochen.«
Wir schauten beide aus dem Fenster und sahen zu, wie die New Yorker Skyline während unseres Sinkflugs immer näher kam.
»Bist du froh, nach Hause zu kommen?«, fragte sie.
»Nein, eigentlich nicht«, sagte ich.
Sie blickte mich an, und ich sah, dass sie versuchte, aus meiner Antwort schlau zu werden. Warum sollte es mir nicht gefallen, in mein bequemes Leben zurückzukehren?
»Und was ist mit dir?«, fragte ich zurück. »Was ist denn deine Tarngeschichte für New York? Du warst zwei Jahre hier, oder?«
Sie grinste boshaft. »Wie sich herausstellt, komme ich aus deinem Viertel. Na ja, in Wahrheit natürlich nicht, aber das war schon hin und wieder meine Tarnung. Verwöhntes Töchterchen eines Iren. Ich hab mein eigenes Apartment an der Upper East Side, ein paar Häuser von deinem entfernt. Und diese kleine Testmission, die ich gestern absolviert habe, hat mir mein erstes eigenes Auto eingebracht.«
»Na großartig«, murmelte ich. Dad wird also an einen unbekannten Ort verschifft, während Stewart mit einem Auto belohnt wird. Und ich hatte die leise Vorahnung, dass ich vom Zeitpunkt unserer Landung an die ganze nächste Woche hindurch ihren irischen Akzent würde mitanhören müssen. Aber vielleicht war diese Rolle ja auch besser zu ertragen als die Französin, die sie in den vergangenen drei Wochen gemimt hatte.
Kendrick war auch nach der Landung noch immer im Tiefschlaf, und Melvin meinte, sie würde wohl noch einige Stunden neben sich stehen. Wir verfrachteten sie auf den Rücksitz eines Autos, und sie verschlief auch noch den gesamten Weg zu ihrem Haus. Bereits die zwanzigminütige Fahrt vom Flughafen zu ihrem Apartment vermittelte mir ein merkwürdiges Gefühl von Freiheit, nur dass es leider nicht die angenehme, bequeme Art von Freiheit war. Vielmehr fühlte ich mich hier schutzlos ausgeliefert. Meine Sinne waren ein wenig zu geschärft, während ich durch die Straßen von New York brauste.
Der Fahrer brachte die Taschen bis zum Hauseingang, aber es wollte mir immer noch nicht gelingen, Kendrick zu wecken. Also musste ich sie von der Rückbank nehmen und mir über die Schulter legen. Ich spürte, wie ihr Kopf hinter mir hin und her schwang; ihre langen Haare berührten fast den Gehsteig. Als ich vor der Tür zu ihrem Apartment stand und in ihrer Handtasche nach den Schlüsseln suchte, hörte ich Geräusche, die von drinnen kamen.
Mein Puls beschleunigte sich, doch ich schaltete in den Agenten-Modus und hielt Kendrick weiter an den Beinen fest, während ich meine Waffe zog und sie an meiner Körperseite hielt. Langsam drehte ich den Türknauf und hörte, wie jemand drinnen herumschlurfte.
»Keine Bewegung, wer immer da ist!«, rief ich.
Ich zielte in Richtung Küche, und ein großgewachsener Mann mit blonden Haaren kam mit einem riesigen Messer in der Hand ins Wohnzimmer gelaufen.
Sofort hob ich die Waffe und bewegte meinen Finger zum Abzug. »Lassen Sie das Messer fallen, sofort!«
Der Fremde riss vor Schreck die Augen weit auf. »Okay, legen Sie sie einfach ab, dann können Sie meine Brieftasche haben, oder was immer Sie wollen.«
Als ich die Panik in seiner Stimme hörte, ließ ich die Waffe wieder sinken. Erst in dem Moment fiel mir auf, dass er eine rosa Schürze trug und wohl gerade am Kochen gewesen war. Es roch nach geschmorten Tomaten und Zwiebeln. »Oh, tut mir leid, ich muss mich in der Wohnung geirrt haben.
»Nein, warten Sie! Das ist Lilys Apartment«, sagte er. »Ich bin Michael.«
»Michael?«
»Ihr Verlobter.«
Verlobter? Sie wollte heiraten? Kendrick wollte heiraten? Und zwar einen Mann, der offenkundig nicht mal den Hauch einer Ahnung von Selbstverteidigung hatte? Apropos Tratschen wie
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