Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
ernst. »Lily Kendrick ist von großer Bedeutung für dieses Projekt und für diese Abteilung. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie durch irgendetwas abgelenkt wird.«
»Sie ist eine großartige Agentin. Die Sorge halte ich daher für völlig unbegründet.« Diese Worte gingen mir leicht und klar über die Lippen, aber ich hatte irgendwie den Eindruck, dass wir nicht über dieselbe Sache redeten.
»Sehr schön. Aber bedenke, dass du das auch bist, und noch dazu bist du talentierter als die anderen. Egal, welche Aufgaben dir übertragen werden, verliere nie aus dem Blick, wer du bist. Und noch wichtiger: Vergiss nicht, was du kannst. Wozu du geradezu geschaffen bist. Ich habe das Gefühl, dass du dieses Potential noch nicht mal annähernd ausgeschöpft hast.«
Wollte er mir sagen, dass ich nicht aufhören sollte, durch die Zeit zu reisen? Es klang so. Dabei hatte Marshall mir verboten, ohne seine Zustimmung auch nur daran zu denken, durch die Zeit zu springen. »Warum sollte ich das tun, wenn keine Notwendigkeit dazu besteht? Ist das nicht riskant?«
»Ja, schon«, sagte er. »Du darfst nicht mehr mit deinen Kräften herumspielen, aber ich garantiere dir, dass du in eine Situation kommen wirst, in der es genau das Richtige sein wird zu springen. Vielleicht weißt du ja, wovon ich spreche?«
Das konnte ein Trick sein, mit dem er herausfinden wollte, ob ich in der Zukunft gewesen war. Vielleicht wusste er aber auch schon etwas über seine Zukunft und wollte sichergehen, dass ich ihm den Arsch rettete, auch wenn ich dafür durch die Zeit reisen musste?
Während ich noch grübelte, was er gemeint haben könnte, ging er bereits zur Tür. »Mach dir wegen Kendrick keine Gedanken. Wir werden uns um die Sache kümmern. Arbeite nur weiter an Stewart.«
Ich legte meine Hand auf die Tür, um zu verhindern, dass er ging. »Warten Sie. Was haben Sie mit Kendrick vor?«
»Keine Sorge. Ich hab dir doch bereits gesagt, dass Lily und ihre Sicherheit sehr wichtig für die Abteilung sind.« Kaum hatte ich die Hand heruntergenommen, zog er auch schon die Tür auf. »Wir sehen uns bald wieder. Du wirst ein sehr wichtiger Gast auf meiner Party sein.«
»Ein Gast?« Ich dachte, das sollte eine Mission sein. Würde ich also nicht schwarzgekleidet im Schatten des Plaza-Ballsaals lauern?
»Ja, du wirst im Auftrag der Firma deines Vaters an diesem Fest teilnehmen, in seiner Abwesenheit natürlich«, erwiderte er, bevor er verschwand.
Ich verriegelte die Tür und ließ meine Augen durch das kleine, nach Tod riechende Apartment schweifen. Kendricks Apartment hatte zwei Zimmer. Und Möbel. Meins dagegen nicht, abgesehen von einem Bett, das man aus der Wand klappen konnte.
Kein Wunder, dass Marshall meiner Bitte um eine andere Wohnung so schnell nachgekommen war. Ich konnte zwar immer noch nach Hause gehen, aber dann hätte er dieses Spiel gewonnen, von dem ich nicht mal gewusst hatte, dass wir es spielten.
Ich zog an dem Bettgestell, doch nach einem flüchtigen Blick auf die verschimmelte, nach Katzenpisse stinkende Matratze klappte ich es sofort wieder hoch.
Dann warf ich meinen Rucksack auf den Holzboden und bettete meinen Kopf darauf. Ich hätte gern Dad angerufen und ihm von Senator Healeys Besuch erzählt, aber ich wusste ja, dass er bereits mit Marshall zu dieser anderen Mission aufgebrochen war.
Mindestens eine Stunde lang wälzte ich mich auf dem Boden hin und her, während mir all die Andeutungen wieder und wieder durch den Kopf gingen, die der Senator gemacht hatte. Warum zum Teufel hatte er Stewart erwähnt? Vielleicht wusste er etwas über die Zukunft, zum Beispiel dass wir uns in die Haare kriegten und dadurch größeren Schaden anrichteten. Das erschien mir gar nicht so unwahrscheinlich. Zwei Stunden später war mir klar, dass ich in dieser Nacht kein Auge zutun würde. So allein war ich seit Monaten nicht gewesen. Das strenge Ausbildungsprogramm und die Enge unserer Zimmer in dem unterirdischen Hauptquartier hatten mich so erschöpft, dass ich währenddessen nicht über viel anderes nachgedacht hatte. Schließlich zwang ich mich doch noch zum Einschlafen, schon allein um die immer zahlreicher werdenden irrationalen Gedanken abzustellen, die mir im Kopf rumgingen. Schließlich musste ich auch morgen in Topform sein. Wie immer.
7
11. Juni 2009, 6:30
»Meine Güte, in welchen Stall haben sie dich denn gesperrt, Jackson?«
Meine Augen waren noch geschlossen, doch ich sah die Sonne durch die vorhanglosen Fenster
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