Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
ich.
»Herr, lass Hirn vom Himmel regnen«, erwiderte sie und warf ihre Jacke auf den Boden. »Wenn du den Weg über die Treppe nimmst, brauchst du auch einen Schlüssel. Allerdings gibt es da keine Elektronik, die wir überlisten können, wie hier im Aufzug.«
Mason und Kendrick ignorierten uns. Sie hatten die Abdeckung des Bedienfeldes bereits abgenommen und suchten nun nach den richtigen Kabeln.
»Nein, das kaufe ich euch nicht ab. Gebt zu, dass es euch nur Spaß macht, solche Dinger auseinanderzunehmen«, sagte ich.
Trotz meines Nervenflatterns musste ich beim Anblick von Kendrick grinsen, die mit ihrem langen rosa Kleid und High Heels in Stromkabeln herumwühlte, als gehörte sie zu einem Bombenentschärfungskommando. Das Selbstvertrauen, das sie dabei an den Tag legte, stand in krassem Widerspruch zu ihrem Verhalten, wenn sie eine obduzierte Leiche wieder zunähen sollte. Ich fragte mich, was Michael wohl denken würde, wenn er sie so sähe. Sie war buchstäblich in ihrem Element.
»Verbinde den roten mit dem orangen Draht«, sagte sie zu Mason.
»Alles klar«, erwiderte er, dann setzte der Aufzug sich ruckartig in Gang und fuhr abwärts.
»Gute Arbeit, Kendrick«, lobte ich sie.
Sie lächelte, zog dann ihre Schuhe aus und nahm sie in die Hand. Als die Aufzugtüren sich wieder öffneten, zückten Stewart und ich exakt im selben Moment unsere Waffen. Wenn ich irgendetwas zur Leistung dieses Teams beitragen konnte, dann einen gut gezielten Schuss – allerdings hatte ich noch nie betrunken am Übungsschießen teilgenommen. Möglicherweise traf ich jetzt nicht mehr ganz so gut.
Wir schoben mehrere Behälter mit weißen Handtüchern zur Seite, um zu einer Öffnung im Boden zu gelangen. Na ja, eigentlich war es nicht mehr als ein Loch unter einem kleinen braunen Teppich. Ich kletterte zuerst die Leiter hinunter und hielt dabei zur Sicherheit die Waffe im Anschlag. Genau in der Sekunde, als ich unten ankam, gingen Agent Parker und Agent Freeman an mir vorbei.
»Hey! Was ist los?«, fragte ich. »Warum kriechen wir durch die Kanalisation, um zu den Kursräumen zu gelangen?«
Freeman ließ seinen Blick durch die unterirdischen Tunnel schweifen, während immer mehr von uns hindurchströmten. »Ich habe eine Nachricht von Healy bekommen, in der er mich aufforderte, euch alle zusammenzuziehen. Er muss irgendwas wissen, wenn wir diese Mission einfach so abbrechen.«
Blinzelnd versuchte ich, im Halbdunkel des Tunnels irgendetwas zu erkennen. »Wer sind denn die beiden da vorn?«
Freeman nannte die Namen von zwei Agenten, die ebenfalls gerade ihre Ausbildung in Frankreich abgeschlossen hatten.
Kendrick, Stewart und Mason hatten inzwischen auch wieder Boden unter den Füßen und hörten Freeman aufmerksam zu. Ich konnte das Unbehagen nicht länger ignorieren, das mich befallen hatte. Irgendetwas stimmte hier nicht. Gerade eben, nur wenige Minuten bevor wir die Aufforderung zum Rückzug bekommen hatten, hatte ich doch noch neben Healy gestanden.
»Warum sollte er uns denn alle gleichzeitig abziehen? Sollten nicht wenigstens einige von uns auf ihrem Posten bleiben?«, fragte ich Freeman.
»Ich bin mir nicht sicher, Jackson. Das hier entspricht nicht dem ursprünglichen Plan, aber die Lage kann sich ja verändert haben.« Er blickte durch den Tunnel und sah dann wieder Parker an. »Warum laufen wir nicht vor und schauen mal nach?«
»Okay«, sagte Parker und rief uns im Loslaufen über die Schulter zu: »Bis später. Wir sind in ein paar Minuten zurück.«
Kendrick ging, die Schuhe weiter in der Hand, neben mir. »Worüber denkst du nach?«
»Ich weiß nicht recht«, antwortete ich leise. »Irgendwas an dieser Sache stinkt, und zwar gewaltig. Healy hat mir gesagt –«
Ich blieb starr vor Schreck stehen und versuchte mich zu erinnern, welchen Auftrag Healy mir gegeben hatte.
Ich möchte, dass du mir sagst, worüber der chinesische Botschafter und sein Freund sich unterhalten.
Der Tanz mit Holly hatte mich abgelenkt, doch mein Gedächtnis ließ mich nicht im Stich. Nachdem ich die ganze Szene mehrmals vor meinem inneren Auge hatte vor- und zurücklaufen lassen, spuckte mein Hirn einen vollständigen Satz aus, der aus dem Mund des chinesischen Botschafters gekommen war.
»Die Kinder werden beschäftigt sein.« Kinder, damit konnten wir gemeint sein, die Nachwuchs-Agenten. Und die Nachwuchskräfte waren hier deutlich in der Mehrheit.
»Ich glaube, jemand hat uns eine Falle gestellt«, sagte ich sofort. Mein
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