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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
erzählt, der
an ein stadtweites Computer-Network angeschlossen war; während man auf seine
Wäsche wartete, konnte man Kaffee trinken und über Computer, die auf kleinen
Bistro-Tischchen installiert waren, mit Leuten kommunizieren, die in anderen
Waschsalons derselben Beschäftigung nachgingen. Auch daraus hatte sich keine
Romanze ergeben, aber eine Zeitlang hatte Rae zumindest die saubersten Kleider
in der ganzen Stadt gehabt.
    »Aha«, sagte ich. »Und Wisdom ist auch
so ein Computer-Network?«
    »Bundesweit. Du gehörst ihm übrigens
auch an.«
    »Ich?«
    »Na ja, wohl eher Mick.«
    Dreimal konnte ich raten, von wessen
Geld.
    »Na, jedenfalls«, fuhr sie fort, »gibt
es dort verschiedene Bulletin-Boards, wo man Botschaften hinterlassen kann, und
die Leute antworten darauf, und so kommt dann nach und nach ein Dialog
zustande. Ich habe über das Tabulose Begegnungs-Board zwei Typen kennengelernt,
und jetzt habe ich mit ihnen diese Sache laufen.«
    Trotz meiner Sorge um Micks Verbleib
konnte ich mir die Frage nicht verkneifen: »Mit jedem einzeln oder mit beiden
gleichzeitig?«
    »Na ja... gleichzeitig.«
    Großer Gott, was würde sie sich als
nächstes einfallen lassen? »Das ist nicht so was Schlüpfriges wie Telefonsex,
Shar!«
    »Habe ich irgendwas in der Art
angedeutet?«
    »Das ist nicht nötig; ich weiß doch,
wie dein Hirn tickt. Aber es ist wirklich... als ob alle Barrieren aufgehoben
sind, die der totalen Kommunikation im Wege stehen. Es ist wie eine geistige
Verschmelzung, und das führt zu...«
    »Ja?«
    »Ich kann’s nicht erklären.«
    »Komm schon, Rae. Heb die Barrieren
auf, die der totalen Kommunikation im Wege stehen, und erzähl’s mir.« Manchmal
reizte sie einen einfach unwiderstehlich, sie aufzuziehen.
    »Ich wußte, daß du’s nicht verstehst.
Warum hab ich überhaupt davon angefangen?«
    »Okay, lassen wir das Thema fallen —
vorerst.« Ich besann mich wieder auf das Geschäftliche. »Kannst du mir einen
Gefallen tun?«
    »Klar.« Sie klang erleichtert.
    »Danke. Geh doch bitte mal in mein Büro
und schau nach, ob das Fax noch da ist, das Mick bekommen hat.«
    Sie legte den Hörer hin, und ich hörte
ihre Schritte sich entfernen. Während sie weg war, versuchte ich, mir auszumalen,
welch unglaublich sinnliches Erlebnis man wohl via Computer mit zwei Männern
gleichzeitig haben konnte. Aber es wollte sich einfach kein Bild einstellen.
Nun ja, nicht mein Problem; Rae war ein großes Mädchen, und es war an der Zeit,
daß ich anfing, sie als vollwertige Person zu behandeln — auch wenn sie es
immer wieder hinkriegte, sich in die seltsamsten Situationen zu manövrieren.
    Es raschelte am anderen Ende, und Rae
sagte: »Das hier scheint es zu sein — das Datum stimmt jedenfalls. Es geht
irgendwie um eine Militärakte.«
    »Die von Sid Blessing?«
    »Äh... ja, genau.« Sie las mir die
Angaben vor. Sid Blessing war Sprengstofftechniker bei der Army gewesen.
    Als sie fertig war, sagte ich: »Ich muß
dich noch mal um einen Gefallen bittten. Könntest du nachsehen, ob Mick eine
Akte über Blessing hat?«
    »Versprichst du, daß du mich nicht
weiter löcherst? Ich meine, wegen dieser Typen, die ich über Wisdom
kennengelernt habe.«
    »Ja«, log ich.
    »Okay.« Sie entfernte sich wieder, kam
zurück. »Hab sie.«
    »Da müßte irgendwo eine Adresse in
Modesto drinstehen.« Geblätter. »Cassie Court siebenhundertvier.«
    »Danke, Rae. Wir sprechen uns später
wieder.«
    »Warte — soll ich Mick irgendwas
ausrichten, falls ich ihn sehe?«
    »Nein. Ich habe das Gefühl, ich werde
ihn selbst bald sehen.«
     
    Der Altamont Pass ist der Eingang zum
Central Valley von der Bay Area her. Der Freeway 580 schneidet durch kahle,
sanft gewellte Hügel, die mit Hunderten von Windturbinen übersät sind — ein
Bild wie aus einem Science-fiction-Film. An guten Tagen wirbeln ihre Propeller
silbern-blitzend vor dem Himmel, an schlechten kreiseln sie träge, oder sie
stehen ganz still. Dieser Morgen war ein guter; die Windräder drehten sich
flott, und ich stellte mir vor, daß sie mir grüßend zuwinkten, während ich in
dem Kleinwagen, den ich am Flughafen gemietet hatte, an ihnen vorbeifuhr.
Vielleicht war es ja ein Omen, daß heute alles gut laufen würde, dachte ich.
Vielleicht würde Suits ja weder jemanden töten noch selbst getötet werden.
Vielleicht kam ich ja noch rechtzeitig... Hinter der Paßhöhe kam ich in eine
ebene, braungrüne Landschaft, die sich fünfzig Meilen weit in Richtung Sierra
Nevada

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