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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ihn am North Field schnappen.«
    Der JetRanger bremste ab und drehte jäh
in die Gegenrichtung. Ich sah sein blinkendes Warnlicht über die Mitte des
Hafenbeckens schweben.
    »Selbst wenn er zu fliehen versucht,
wird er nicht weit kommen«, setzte ich hinzu. »Bei dem Flugbereich dieses
Hubschraubers — wo soll er sich verstecken?«
    Meine Worte hingen zwischen uns in der
Luft. Ich sah Suits an, fand das, was mir in den Sinn schoß, auf seinem Gesicht
widergespiegelt.
    Er sagte: »Vielleicht hat er das auch
gerade kapiert.«
    Der Helikopter ging jetzt steil
herunter. Er verharrte einen Moment in der Luft, schien auf der Stelle zu
tanzen. Dann verstummte der Motor, der Rotor drehte langsamer, und die Maschine
sackte aufs Wasser herab.
    Sekunden später erhellte ein Feuerball
den Nachthimmel.
     
     
     
     
     

25
    Die schmale Straße wand sich, von
riesigen Redwood-Bäumen überschattet, in Serpentinen die Küstenberge von
Mendocino County hinauf. Ich fuhr höchstens fünfunddreißig Meilen, in den Kurven
langsamer; es war fast eine Viertelstunde her, daß mir das letzte Fahrzeug
begegnet war, aber dabei hatte es sich um einen rasenden Langholztransporter
gehandelt.
    Eine Woche lag es jetzt zurück, daß
Josh Haddon sich selbst und den JetRanger ausgelöscht hatte. Zwölf Stunden nach
dem Absturz war Suits bereits wieder ganz der alte gewesen: damit beschäftigt,
den Vorfall der Presse gegenüber herunterzuspielen, seinen Finanzfritzen Geld
aus der Nase zu ziehen, aus den Überbleibseln seiner alten Firma eine neue
aufzubauen. Er agierte wie ein Mann mit einer Mission: vielleicht dachte er,
etwas Sinnvolles zu tun, könnte ihn reinwaschen, ihn jenes Teils seiner selbst
würdig machen, in dem Anna fortlebte. Mir erschien er irgendwie hektisch, als
versuchte er, vor dem Hauptproblem davonzulaufen — daß sich sein Leben ändern
mußte.
    Was mich anbelangte, so hatte ich
zugelassen, daß er die Geschehnisse um Joshs Tod verschleierte. Ich hatte
zugelassen, daß er ein Gespinst aus Wahrheiten und Halbwahrheiten präsentierte.
Josh, so die offizielle Version, hatte Bodine lediglich mit Noah Romancheks
Hilfe in die Drogendeal-Falle gelockt (Halbwahrheit) und ihn dann erschossen,
als Bodine Suits nach Lost Hope gefolgt war und Anna angegriffen hatte (ich
hatte dazu meine eigene Theorie, behielt sie aber für mich). Er hatte eine
Terrorkampagne gegen seinen Boss gestartet, die in Annas Tod gipfelte
(Wahrheit), und sich schließlich bei einem Routineflug nach Hunters Point, wo
er Suits abholen sollte, das Leben genommen (wiederum nur die halbe Wahrheit).
    Es gab Zeiten, da ich eine solche
Heuchelei nicht mitgetragen hätte, aber wie ich schon zu Mick gesagt hatte: So
ist das Leben nun mal. Es ging in diesem Fall um alte Loyalitäten und um neue.
Und die neuen hatten mich jetzt veranlaßt, mich in einer eigenen Mission auf
den Weg zu machen — einer Mission, von der ich schon fast befunden hatte, daß
ich mich ihr besser entzog.
    An diesem Nachmittag war ich im
Moonshine Cottage gewesen, um ein paar Details zu überprüfen. Dann war ich nach
Mendocino hineingefahren und hatte die Vermißtenkartei im Sheriffs Department
durchgesehen. Beides hatte meine Vermutungen bestätigt. Jetzt passierte ich
einen Holzabfuhrweg, der tief in den Wald hineinführte. Ich fuhr noch ein Stück
weiter bergauf und überquerte eine einspurige Brücke, die sich über ein
ausgetrocknetes Bachbett spannte. Noch drei Serpentinen, dann wurde die Straße
gerader, und ich gelangte zu einer großen Lichtung.
    Behausungen verteilten sich ungeordnet
zu beiden Seiten der Fahrbahn: Holzhütten mit Dächern aus Wellblech oder
Teerpappe, alte Trailer auf Betonblöcken, neuere Fertigteilhäuschen. Ein Schild
vor zwei rostigen Metallbaracken wies diese als Ridge Reservation School aus. Neben
den Baracken befand sich ein primitiver Sportplatz mit netzlosen Basketball-Reifen
an Pfosten. Der einzige Mensch, den ich entdecken konnte, war eine massige Frau
in einem wallenden orangefarbenen Gewand, die in einem Liegestuhl unter einer
zwischen zwei Trailern gespannten Plane saß.
    Ich hielt am Straßenrand und stieg aus
dem MG. Zwei braune Promenadenmischungen kamen angehüpft; ihre wedelnden
Schwänze straften ihr drohendes Gekläff Lügen. Ich kraulte sie und ging über
die Straße in Richtung der Frau.
    Sie stand auf, verschwand in ihrem
Trailer und schlug die Tür zu.
    Ich blieb stehen, hielt nach einem
anderen menschlichen Wesen Ausschau. Sah ein kleines

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