Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
du auf die Zehen getreten bist. Dich.«
    »Mich? Warum zum Teufel —«
    »Weil es jemand auf dich abgesehen hat
und weil es nach einer persönlichen Sache riecht. Du bist nun mal die zentrale
Figur in der ganzen Geschichte.«
    »Vergiß es.«
    »Suits, ich weiß, du bist ein Mensch,
der sein Privatleben —«
    »Du weißt überhaupt nichts über
mich.«
    »Ich weiß vielleicht mehr, als du
denkst. Zum Beispiel weiß ich, daß du in Harvard warst.«
    Kurzes überraschtes Augenaufreißen,
dann finsteres Starren. »Wer hat dir das erzählt?«
    »Russ Zola.«
    »Himmelherrgott!«
    »Und ich weiß, daß dein erster Job
darin bestand, eine Dope-Farm zu sanieren.«
    Er bezog jetzt Joshs Hinterkopf in sein
finsteres Starren ein. Josh hatte vorhin nicht auf seine Wüterei reagiert, und
er reagierte auch jetzt nicht. Wie er gesagt hatte: beim Fliegen blendete er
Suits aus.
    Ich fragte: »Warum hast du mir von
alldem nichts erzählt?«
    »Ich dachte nicht, daß du meinen
vollständigen Lebenslauf benötigst.«
    »Aber auch früher hast du nie was von
Harvard gesagt. Niemand von uns wußte das.«
    »Ich habe nicht gern drüber geredet. Tu’s
immer noch nicht gern.«
    »Warum?«
    Er seufzte. »Mann, das war eine
fürchterliche Zeit. Einfach schrecklich. Als ich dort hinkam, war ich noch ein
Bubi, der in der Milchbar hätte rumhängen sollen, um mit Mädchen anzubandeln.
Verdammt, ich konnte noch nicht mal autofahren. Und als ich mein
Betriebswirtschafts-Diplom hatte, war ich immer noch ein halbwüchsiger Bursche
— siebzehn, das Alter, in dem die meisten mit dem College anfangen. Ich
hatte Akne und Schuppen; ich hatte nie Freunde gehabt, ich hatte nie ein
Mädchen ausgeführt, geschweige denn, mit einem geschlafen. Ich war ein Genie;
ich war ein Monster. Und das ist alles, was es über mein Leben zu wissen gibt.«
    »Aber —«
    »Nichts da. Zutritt streng verboten.
Ich rede über meine Turnarounds und meine Mitarbeiter, aber sonst über gar
nichts.«
    Ich wollte nach seinem Suff-Gerede in
Carmens Lokal fragen — der Bahnüberführung, den Leuten, dem Wetterleuchten über
dem Wasser — aber ich wußte, dies war nicht der richtige Zeitpunkt. Vielleicht
würde es dafür nie einen richtigen Zeitpunkt geben. Also fragte ich statt
dessen: »Gibt es jemanden in deiner Firma, dem du hundertprozentig vertraust?«
    Daß seine Antwort so prompt kam,
erstaunte mich. »Meine Management-Assistentin in meinem Büro in L. A., Dottie
Collier.«
    »Hat sie Unterlagen über deine Leute
und deine Turnarounds?«
    »Ja.«
    »Sie muß sie mir heute rüberfaxen — soviel,
wie irgend möglich.«
    Dieses Ansinnen schockierte ihn nicht
weiter. »Dottie wird das schon erledigen.«
    »Gut. Könntest du jetzt bitte Josh
sagen, er soll mich beim Bay Vista absetzen? Ich möchte besagten Spuren
nachgehen.«
    »Du meldest dich nachher wieder?«
    »Nur, wenn ich mehr weiß.«
    »Wegen heute nacht — ich brauche einen
Platz —«
    »Nein.«
    »Du hast selbst gesagt, meine Wohnung
ist nicht sicher. Wenn mich der Angreifer dort erwischen konnte, kann er es
auch in einem Hotel.«
    Und bei mir zu Hause, dachte ich. Es
ging mir weniger um mich als um Mick. »Dann werde ich etwas für dich finden, wo
dich keiner sucht.« Noch während ich das sagte, kam mir eine Eingebung. Ich
drehte mich zum Fenster, damit er mein durchtriebenes Grinsen nicht sehen
konnte. »Pack das Nötigste zusammen und hol mich heute abend in meinem Büro
ab«, setzte ich hinzu.
    Das Versteck, das ich im Kopf hatte,
war perfekt. Der einzige Schönheitsfehler war, daß Suits nach einer Nacht auf
dem klumpigen alten Bettsofa in Jack Stuarts Ex-Gemächern bei All Souls im
Obdachlosenasyl um einen Schlafplatz betteln würde.
     
    Den Rest des Nachmittags brachte ich
damit zu, die Türhüter vom Bay Vista aufzuspüren. Der Mann von der Schicht
zwischen Mitternacht und acht Uhr morgens wollte nicht mit mir reden; nachdem
ich ihm zehn Dollar gegeben hatte, bekam ich nicht mehr zu hören, als daß er
auf Suits’ Hilferuf reagiert und den Krankenwagen gerufen hatte. Sein Kollege
von der Schicht davor war nicht in seinem Apartment am Inner Sunset; als ich
ihn schließlich in einer Bar an der Irving Street aufspürte, die er laut seiner
Hauswirtin frequentierte, brachte mir ein spendierter Scotch lediglich die
Information ein, daß er gestern abend keine unbefugte Person in das Gebäude
hineingelassen und keine fremde Person bei dem quasiprivaten Aufzug zum Penthouse
gesehen hatte.
    Ich kam um kurz

Weitere Kostenlose Bücher