Feinde kann man sich nicht aussuchen
setzten sich rechts und links neben mich.
»Okay«, sagte Anna, »Sie können fein
speisen oder einfach oder beides. Wir haben Entenleberpastete und noch eine
Sorte — Rind und Schwein, glaube ich — mit diesen Designer-Pilzen, die Suits
liebt, ich aber äußerst suspekt finde. Da sind Brie und Stilton« — Suits
grunzte anerkennend — »und Kaviar und Anchovis« — sie verzog das Gesicht — »und
Kräcker und Sauerteigbaguette. Und da« — sie zeigte auf das Tablett vor sich —
»ist die Sorte Zeug, von der ich lebe, wenn er nicht da ist, was meistens der
Fall ist. Alles mikrowellengeeignet.«
Ich starrte auf das Tablett. Es war der
Traum eines jeden Junk-Food-Fans: Frühlingsrollen, Mini-Pizzas, Mini-Tacos,
Teigtaschen, Hähnchenflügel, Hamburger, Chips und Dips und Schweinekrüstchen.
»Das ist ja sagenhaft !« Anna lächelte Suits triumphierend an. Ich schloß
daraus, daß sie eine Wette abgeschlossen hatten, welche Art Küche — wenn man es
so nennen konnte — ich bevorzugen würde. Sie nahm sich einen Taco und sagte:
»Wir haben hier so ein verrücktes Lebensarrangement, daß ich seit Jahren nichts
Richtiges mehr gekocht habe, außer Riesentöpfen Chili oder Suppe. Ich weiß gar
nicht, ob ich es überhaupt noch könnte.« Dann sah sie auf Suits, der sein
Messer in den Stilton grub. »Und der Wein?«
»Oh, richtig.« Er nahm eine Flasche und
sah auf das Etikett. »Das hier ist ein fünfundachtziger Spottswoode Cabernet — frisch
und spritzig. Und der da ist ein dreiundneunziger Chardonnay, Sanford Barrel
Auslese — würzig, vielschichtig —«
»Frag Sie einfach, ob weiß oder rot,
und gieß ein, ja?« Und zu mir gewandt, setzte sie hinzu: »Das ist sein verflixtes
photographisches Gedächtnis; er liest einmal einen Weinkatalog, und die
Beschreibungen bleiben alle in seinem Kopf hängen.«
Zu meinem Erstaunen grinste Suits
breit. »Sie läßt mich einfach nicht mogeln«, sagte er.
Ich entschied mich für den Cabernet — die
perfekte Wahl für einen kalten, verregneten Abend — und belud meinen Teller mit
einem Junk-Food-Sortiment. Als Konzession an Suits nahm ich auch ein bißchen
Kaviar und Brie.
Suits machte sich so konzentriert über
den Stilton her, als fürchtete er, wir könnten doch noch befinden, daß wir
welchen wollten, und ihm nur einen Hühnerflügel übriglassen. »Tja, Sherry-O«,
sagte er, »jetzt bist du wohl sauer auf mich.«
»Ich werde gleich ernstlich sauer, wenn
du nicht aufhörst, mich Sherry-O zu nennen.«
»Ist doch nur ein Spitzname.«
»Ich hasse ihn.«
»Sorry, Sherry-O.«
Anna beugte sich an mir vorbei und
blitzte ihn ungehalten an. Suits sah sie an, verdrehte die Augen und sagte:
»Okay, ich sag’s nicht mehr.«
Ich lächelte Anna zu und schüttelte ihr
die Hand. Zu Suits sagte ich: »So einfach kommst du nicht davon. Du hättest mir
wenigstens sagen können, daß du verheiratet bist.«
Er zuckte die Achseln.
Ich fragte Anna: »War unsere
Ähnlichkeit für Sie auch so ein Schock?«
»Ach, ich weiß es schon seit Jahren.
Schon als er mich das erstemal gesehen hat, hat er mir von Ihnen erzählt.
Anfangs war ich deswegen eifersüchtig. Es ist nicht leicht, wenn man denkt, es
geht nicht darum, wer man ist, sondern nur darum, wie man aussieht.«
»Und wodurch hat sich das geändert?«
Sie sah ihn an, ein belustigtes Lächeln
in den Augen. »Oh, einmal, als er sich über irgendwas aufgeregt und mich
angeschrien hat, da habe ich plötzlich gedacht, hey, der Bursche liebt
tatsächlich mich. Das sind meine Fehler, die er da kritisiert, nicht die
von irgend jemand anderem.«
Suits lächelte selbstzufrieden.
Ich sagte zu ihm: »Dir ist ja wohl
klar, daß ich eine Menge Fragen habe.«
»Hmmm.« Er sah seine Frau an.
Und da wußte ich plötzlich, warum er
mich hierhergebracht hatte: Anna sollte seine Stimme sein; über sie würde er
mir all das sagen, was er selbst nicht herausbrachte.
Sie wischte sich
Schweinekrüstchen-Krümel von den Händen und nahm ihr Weinglas. »Zuerst sollte
ich Ihnen wohl von Suits und mir erzählen. Dafür muß ich ein bißchen ausholen.«
Ich schenkte mir Wein nach und
stibitzte mir noch eine Teigtasche.
»Ich bin eine Kashia Pomo«, begann sie.
»Aufgewachsen bin ich in dem Reservat dort droben in den Bergen, an der Ridge
Road. Kennen Sie es?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Das kennt kaum jemand. Es ist winzig klein
— noch ein Dutzend Familien etwa. Es gibt dort eine Schule, drei oder vier
Telefone, einen Friedhof. Es gehört
Weitere Kostenlose Bücher