Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
zu
verlieren?«
    »Eine ganze Menge.«
    »Ich bin nicht von der Polizei, wenn es
das ist, was Sie befürchten. Fragen Sie Whitey — er hat das gleich gesehen. Und
ich arbeite für den Mann, dem sie Ihre Ausgangsware verdanken.«
    Spitz’ Atem pfiff. »Okay, sagen wir
fünfhundert, und wir können uns treffen.«
    »Topp. Wann und wo?«
    »Im River Park, heute abend um acht.
Ich bin an dem Picknick-Tisch, wo Sie mit Whitey gesprochen haben. Kommen Sie
allein.«
    »Bis dann.« Ich legte auf.
    Amos Ritter trat stirnrunzelnd heran.
»Das war er.«
    »Ja. Wir treffen uns um acht im Park.«
    »Das gefällt mir gar nicht.«
    »Mir passiert schon nichts.« Ich
zögerte. »Ich bitte Sie zwar schon die ganze Zeit um irgendwelche Gefallen,
aber jetzt habe ich noch zwei Anliegen. Spitz will fünfhundert Dollar, und
soviel Bargeld habe ich nicht bei mir. Auf meine Automatenkarte kriege ich
zweihundert; könnte ich Ihnen für den Rest einen Scheck geben?«
    »Klar. Was brauchen Sie noch?«
    »Ich würde gern auf Ihr Angebot mit der
Pistole zurückkommen.«
    Mein Treffen mit Spitz war erst in zwei
Stunden. Deshalb bat ich Amos, nachdem er mir das Geld gegeben und ich mir aus
seiner Sammlung eine handliche, leichte 38er Smith & Wesson ausgesucht
hatte, um ein Telefonbuch. Beim Studium der Akten über die Bodine-Sache war mir
aufgefallen, daß Eds Vater damals auch in Monora gelebt hatte. Er war immer
noch eingetragen, und ich beschloß, ihm einen kleinen Besuch abzustatten. Als
ich Amos’ Haus verließ, stand der Schriftsteller hinter einem seiner
blutrünstigen Glasfenster, die besorgten Augen gegen die untergehende Sonne
abgeschirmt.
     
    Ed Bodine Senior lebte in einem
Altersheim, einem fünfstöckigen Backsteinbau auf dem Hügel über dem
stillgelegten Stahlwerk; eine Inschrift über dem Eingang besagte, daß es einst
das Spital der Barmherzigen Schwestern gewesen war. Als ich im dritten Stock
aus dem Aufzug trat, sah ich durchs Fenster das Stahlwerk drunten im
schwindenden Licht liegen — riesig, dunkel und tot. Die meisten Insassen dieses
Altersheims waren, wie Amos mir erklärt hatte, ehemalige Stahlarbeiter; ich
fragte mich, wie sie es ertragen konnten, jeden Tag auf die Ruinen des Werks zu
blicken. Für mich hätte das eine ständige Erinnerung an die Nichtigkeit des
Lebens und an meinen nahen eigenen Tod bedeutet.
    Der Mann, der mir auf mein Klopfen die
Tür zu Zimmer dreihundertsiebzehn öffnete, war gebeugt und gebrechlich und
stützte sich auf eine Gehhilfe. Als ich ihm meine Karte reichte und ihn fragte,
ob ich mit ihm über seinen Sohn reden könne, trat ängstliche Unruhe in seine
Augen. Er fuhr sich mit einer arthritischen Hand über das schüttere weiße Haar,
und einen Moment lang glaubte ich, er würde mich nicht hineinlassen. Dann trat
er zurück, fast als fürchtete er sich vor mir; ich setzte mich auf den Platz in
der Sofaecke, den er mir anwies, und er ließ sich auf dem Stuhl gegenüber
nieder, die Gehhilfe sicherheitshalber zwischen uns postiert.
    »Mr. Bodine«, sagte ich, »ich weiß, die
letzten Jahre waren sehr schwer für Sie, und ich kann verstehen, daß Sie nicht
gern an unangenehme Erinnerungen rühren. Aber im Zuge anderweitiger Ermittlungen
bin ich auf ein paar Fakten gestoßen, die vielleicht dazu beitragen können, den
guten Namen Ihres Sohnes wiederherzustellen.«
    Bodines Finger umklammerten die
Gehhilfe fester.
    Ich fuhr fort: »Soweit ich weiß, hatte
Ed schon vor seiner Verhaftung befürchtet, daß die Werksleitung Pläne
schmiedete, ihn sich vom Hals zu schaffen.« Das hatte Bodine unmittelbar nach
seiner Verhaftung erklärt.
    Der alte Mann nickte kaum wahrnehmbar.
    »Hat er je mit Ihnen über diese
Befürchtungen gesprochen?«
    Er räusperte sich und sprach mit einer
tiefen Stimme, die gar nicht zu seiner gebrechlichen Erscheinung paßte: »Eddie
hat nie viel über die Gewerkschaftsarbeit geredet. Wollte seinen alten Vater
schonen, ihm Sorgen ersparen. Warum weiß ich auch nicht. Ich bin selbst ein
alter Gewerkschafter. Habe neunundfünfzig vor dem Werk Streikposten gestanden.
War auch damals schon gefährlich, genau wie zu Eddies Zeit. Herrgott, die
Arbeit selbst ist auch gefährlich. Das ist nun mal so; man lernt damit leben.«
    »Aber Sie wußten, daß er um seine
Sicherheit fürchtete?«
    »Na klar. Nicht nur um seine Sicherheit
— um sein Leben. Er kannte diese Typen — Leute wie Gordon und diese Truppe, die
Gordon da mitgebracht hatte, damit sie die Drecksarbeit für ihn

Weitere Kostenlose Bücher