Feinde kann man sich nicht aussuchen
verfallenden Stahlwerk schwenken. Ein langer Güterzug, der auf dem
geraden Stück beschleunigte. Ich ging den Weg hinunter, und dann war der Zug
genau über mir, das Dröhnen des Dieselmotors, das Rattern der Räder, das
Kreischen von Stahl auf Stahl. Ich war auf das Geräusch gefaßt gewesen, aber
nicht auf die Vibrationen; sie warfen mich fast um, und ich blieb stehen, bis
der Zug vorbei war. Als das Tuten schließlich dünn und kläglich wurde, trat ich
an den Ausgang der Unterführung und spähte hinaus in den finsteren Park.
Niemand da. Nur die Blechtonne, umgeben
von Müll und von einer trüben Lampe beleuchtet. Der wacklige Picknicktisch
stand windschief im Dunkeln.
Vielleicht hatte Spitz es sich ja
anders überlegt, dachte ich, aber wahrscheinlicher war, daß er wartete, erst
mal die Lage peilte, genau wie ich. Ich beschloß, noch ein paar Minuten unter
der Bahnbrücke zu warten. Die Pistole, die ich mir von Arnos geliehen hatte,
ruhte im Seitenfach meiner Umhängetasche; ich steckte sie jetzt in den Bund
meiner Jeans. Annas Cape verdeckte sie, ließ mir aber im Notfall Freiheit genug,
mich ihrer zu bedienen.
Plötzlich Männerstimmen am Flußufer.
Ich zog mich zurück, horchte. Zwei Männer. Sie kamen in meine Richtung. Redeten
laut und schwerzüngig. Dann Geschepper, als eine Bierdose die Blechtonne traf
und abprallte. Die Männer gingen an der Unterführung vorbei und weiter am Ufer
entlang.
Ich entspannte mich ein bißchen, hörte
dann jedoch erneut Stimmen, diesmal von der River Street her. Mein Körper ging
wieder in Habachtstellung. Wer immer sie waren — ich hoffte, sie würden nicht
durch die Unterführung kommen. Eine Autotür klappte, ein Motor sprang an. Sie
fuhren weg.
Dann war die Nacht plötzlich ganz
still. Es war stockfinster unter der Bahnbrücke. Und kalt. Der Monongahela lag
breit und ruhig da, das Wasser flimmerte leise im Mondlichtkegel. Ich starrte
darauf, schon halb hypnotisiert. Und hörte plötzlich unterdrücktes Husten aus
dem Weidenwäldchen.
Jim Spitz, der im Schutz der Bäume die
Situation eruierte.
Spitz wartete. Ich wartete. Bis ich
schließlich befand, daß wir so nicht weiterkamen, und auf den Uferstreifen
hinaustrat. Ich blieb dicht bei der Unterführung stehen, die Hand am Griff der
Pistole.
Nach einer halben Minute trat ein Mann
aus dem Weidenhain: mittelgroß, in einer dunkelblauen Navy-Jacke und Jeans. Ich
konnte seine Züge nicht erkennen, nur ein blasses Gesicht und dunkles Haar. Er
blieb stehen, sah zu mir herüber, ging dann zu dem Picknicktisch und setzte
sich hin.
Ich ging ebenfalls hinüber. Blieb auf
der anderen Tischseite stehen, wie schon mit Whitey. Im Mondlicht sah ich ein
Gesicht, das wohl einmal hübsch gewesen sein mußte, ehe Alter und harte
Erfahrungen ihre Spuren hinterlassen hatten. Jetzt hatte es Tränensäcke unter
den Augen, und die einst feingeschnittene Nase war nach einem Bruch schief
zusammengeheilt. Mißmutige Falten umrahmten den Mund, der eine Spur von
Unsicherheit zeigte. Ich nahm die Hand von der Waffe; von diesem Loser hatte
ich nichts zu befürchten.
Spitz musterte mich ebenfalls, begann
zu husten und fragte dann: »Also, wo sind die Fünfhundert?« Die Frage sollte
wohl fordernd klingen, aber sie kam eher greinend heraus.
»Zwei Hunderter jetzt«, sagte ich,
»drei später.«
»Wann später?«
»Wenn ich mit Ihnen geredet habe.«
»Worüber?«
»Darüber, wie Sie Ed Bodine den Stoff
untergeschoben haben.«
»...Ich dachte, Sie arbeiten für
Gordon.«
»Das tue ich auch.«
»Dann müßten Sie doch alles drüber
wissen.«
»Als die Sache ablief, habe ich noch
nicht für Gordon gearbeitet, und er redet nicht drüber. Er redet zur Zeit
überhaupt nicht viel. Haben Sie gehört, was mit seiner Frau passiert ist?«
Spitz nickte.
Ich nahm eine meiner Geschäftskarten
heraus und schob sie ihm über den Tisch. »Gordon hat mich angeheuert, weil ihn
jemand terrorisierte. Ich sollte herausfinden, wer, aber ehe ich richtig
loslegen konnte, ging diese Sprengladung hoch. Ich glaube, daß sie auf das
Konto derselben Person geht, und ich glaube außerdem, daß das alles seine
Wurzeln hier in Monora hat, in dieser Sache mit Bodines Verhaftung. Ich will
alles darüber wissen — wer damals an Sie herangetreten ist, wer alles an der
Vorbereitung beteiligt war.«
Er hielt meine Karte hoch und musterte
sie mit zusammengekniffenen Augen. Betastete die Lettern, als läse er
Blindenschrift. Ich sah ihm zu, wartete, daß er sich
Weitere Kostenlose Bücher