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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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nicht sagen, dass ich viel Wert auf sie lege.
    »Na also!«, sagt der Augenbrauenmann, als habe er meine Gedanken gelesen. »Ihr wollt vor denen Ruhe haben? Klar, jeder will vor denen Ruhe haben! Jeder, der hier wohnt. Dafür sind wir ja da.«
    Hartmut taxiert den Mann. Sein Kopf zuckt leicht, von unten nach oben, als wolle er mit seiner Nasenspitze einen unsichtbaren Tarnmantel lüften, den der Russe übergeworfen hat, auf dass darunter Frank Elstner hervorkommt, der uns zu »Verstehen Sie Spaß?« gelockt hat. Hartmut sagt: »Sie labern uns hier an wegen ... wegen Schutzgeld?« Er lacht, als wisse er selbst, dass das unsinnig klingt. Doch das ist es nicht. In Berlin gibt's nichts mehr zu lachen.
    Der Russe sagt: »Yassim Ali-K. Hat drei Polizisten ermordet, als sie ihm die Wohnung aufbrechen wollten. Kopfschüsse. Ein Kurde. Die Kurden und die Libanesen sind überall. Du kaufst keine Falafel, ohne die PKK zu bezahlen.«
    Hartmut grinst, wie man grinst, wenn man sich nur noch darauf berufen kann, »schlauer« zu sein als der Schulhofschläger. »Du bist doch schlauer, mein Junge«, sagten unsere Mütter dann, »du hast es doch nicht nötig, auf so ein Niveau abzusinken.« Das war noch nie ein Trost. Hartmut sagt: »Und ihr seid die Libanesen-Abwehr, oder was?«
    Der Russe lächelt: »Seht mal, es ist wie in der großen Politik. Man braucht Bündnispartner, ob es einem gefällt oder nicht. Hat man die nicht, muss man auf sich selbst vertrauen, auch wenn's eng wird. Das ist nicht immer ratsam.«
    Wir schweigen.
    Er fährt fort: »Ihr seid hier auf unserem Land ...«
    Hartmut unterbricht ihn: »Was sind wir?«
    Es soll entsetzt klingen, aber es klingt bloß halbherzig empört. Was soll Hartmut auch sagen? Dass deutscher Boden nicht ihr Land ist? Bevor Hartmut so etwas sagt, ertränkt er sich in der Spree. Der Russe weiß das. Er macht einen Schritt an mir vorbei, schiebt den Papierkorb zurecht, tritt samt Kollege vor den Eingang und zeigt auf den Platz vor unserem Haus und über die dort angrenzenden Bäume und Büsche hinweg.
    »Das ist der Wedding, mein Freund. Das ist Leopoldplatz. In der Kantstraße sind die meisten von euch schon vor Jahren ausgezogen. Sie haben es uns gedankt. Es wurden ihnen gute Angebote gemacht. Aber der Markt öffnet sich wieder. Jeder will mitreden.« Der Russe ist nicht gut in Sachen Klartext, aber man versteht ihn dennoch. Er hat noch kein einziges Schimpfwort benutzt. Jetzt spricht er wieder ganz weich und fürsorglich, wie ein guter Cop: »Ihr müsst euch nicht direkt entscheiden. Lebt euch ein. Ihr werdet sehen, ihr kommt noch ganz von selbst auf uns zurück.«
    Wir sehen ihn an, Hartmut in der Tür, ich unter dem Dach. Reste von Spinnennetzen wehen in einer Ecke. Der Russe und sein Adjutant verschwinden, mit sicherem, entspanntem Schritt.
    »Unglaublich«, sagt Hartmut und sieht ihnen nach. »Ja«, sage ich.
    »Sie haben nicht mal eine Summe genannt«, sagt Hartmut. Ich schaue ihn von der Seite an. Er hat einen gelben Krümel im Ohr.
    »Das ist nicht gut«, sagt Hartmut. »Bei Möbel Rathmer klatschen sie dir die Preise um die Ohren. Couchgarnitur, nur 699 Euro! Oder bei Schlecker. Bei Bang & Olufsen aber nicht. Oder bei Bentley. Wer beim ersten Gespräch keine Summen nennt, ist sich sicher, dass der Kunde später von selbst kaufen wird.«
    Es beruhigt mich wenig, dass er das sagt. Wir gehen die Treppen hinauf. Im zweiten Stock schließt sich schnell eine Tür, bevor wir sie passieren.
     
    In der Wohnung bringt Susanne einen Lampenschirm über einer Birne an, die bislang lose in der Küche über dem Tisch gebaumelt hat. Yannick tapst mit den Pfoten gegen den Fernseher, auf dem Super Monkey Ball im Automodus läuft, und Caterina war augenscheinlich gerade baden, denn sie zieht sich hinter der »Wand« unseres Schlafzimmers um. Als Susanne in der Küche das Licht anmacht, zeichnet sich Caterinas Silhouette durch das Pergament ab, und ich bekomme Lust auf Zärtlichkeiten.
    Hartmut hebt die Hand und sagt: »Wir arbeiten dran!«, bevor Susanne danach fragen kann, ob wir heute einen Job aufgetrieben haben.
    »Und wie war dein Tag?«, frage ich Caterina und linse neckisch über den Paravent.
    Ihr Blick wird grimmig, aber das liegt nicht an mir: »Diese Idioten!«, sagt sie.
    »Wer?«, frage ich.
    »Na, die da draußen!«, antwortet sie und zeigt zum Fenster.
    »Die Russen?«, fragt Hartmut.
    »Nicht die Russen, die Rapper. Diese Kirmeskriminellen. Weißt du, was die auf offener Straße zu

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