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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Kapuze und einen Fuß, der hinter der Straßenecke verschwindet.
    »Wenn wir schon nichts vergessen, vergessen die auch nichts«, sagt Hartmut, und Yannick springt zwischen uns auf die Fensterbank. Ich nehme ihn vorsichtig und setze ihn wieder auf den Teppich. Er faucht. Er will nicht betreut werden. Das Telefon klingelt. Hartmut geht ran, während ich um die Gunst des Katers buhle, indem ich ihn auf den Rücken drehe und sein Bauchfell kraule.
    »Ja?«
    (...)
    »Was???«
    Ich sehe auf, die Hand tief in Yannicks Wolle vergraben, seine vier Pfötchen samt Mäulchen drumherumgeschlungen. Hartmuts Blick verheißt nichts Gutes. Seine Augenbrauen senken sich so tief wie die des blauen Uncle-Sam-Adlers bei den Muppets. Seine Pupillen verlieren alle Beweglichkeit und rasten in einer Position ein, aus der sie erst wieder ausrasten werden, wenn ein wichtiges Problem erledigt ist. »Ja«, sagt er, »wir kommen sofort.« Er legt auf.
    »Was ist?«, frage ich.
    »Das war Susanne. Aus der Firma. Wir haben heute Nacht Besuch gehabt.«
     
    »Pankow bleibt Deutsch.«
    Ich stehe vor dem Spruch, den irgendjemand heute Nacht innen an die frisch geklebten Tapeten geschmiert hat, und frage mich einiges. Frage mich, wer mitten in der Nacht in eine noch gar nicht existierende Firma einbricht, nichts mitnimmt und schließlich von innen Graffiti sprüht. Frage mich, ob man das »Deutsch« in diesem Satz wirklich großschreibt. Frage mich, ob wir hier eigentlich nur von Feinden umgeben sind.
    An den anderen Wänden der gerade eben fertiggestellten Bürozentrale stehen Sprüche wie »Deutsche Arbeit für Deutsche!« und »Scheiß Kanakkkenfreunde«. In den frisch verlegten Teppich wurden Hakenkreuze geritzt. Die Frauen und Cevat stehen daneben und schütteln den Kopf, Samir läuft durch den Raum und stößt türkische Flüche aus.
    »Sie haben nur innen gesprüht«, sagt Hartmut. »Es gibt keinen Tropfen Farbe auf den Außenwänden. Niemandem, der hier vorbeiläuft, fällt etwas auf.«
    »Und?«
    »Und? Das heißt, die Message ist nur für uns gedacht, >deutsche Arbeit für Deutsche<.Die wissen, dass hier eine Firma entstehen soll, und die wissen, welche Art von Firma.«
    »Gefördert vom Moralministerium«, sagt Cevat, die Hand am Kinn, »hoher Anteil von Benachteiligten. Und Immigranten.« »Und Immigranten«, bestätigt Hartmut.
    »Hab gleich gesagt, dass es eine Scheißidee ist, nach Pankow zu gehen«, schimpft Samir. »Es passt doch auch überhaupt nicht zu MyTaxi. So eine Firma musst du in Kreuzberg aufziehen. Oder in Prenzlau. Berlin ist doch nicht eine Stadt. Es sind viele kleine Städte mit ihren eigenen Gesetzen.«
    »Scheiße«, sage ich, den Arm auf Caterinas Rücken, die besorgter aussieht als Susanne. »Was machen wir jetzt? Die Polizei rufen?«
    Hartmut schüttelt den Kopf: »Nein. Keine Lust auf die blöden Fragen, die kommen werden: Warum Vandalismus von innen? Wurde ja nichts gestohlen. War ja nichts zum Stehlen da. Kann es vielleicht sein, dass sie eine Finanzspritze benötigen und so ein bisschen Versicherungsgeld bekommen wollen?< Am Ende steht das Ministerium vor der Tür und sagt, wenn wir schon Vandalen reinlassen, mussten wir zumindest sicherstellen, dass sie biologisch abbaubare Sprühfarbe benutzen.«
    »Was dann?«, frage ich.
    »Selbstwehr«, sagt Hartmut und starrt ins Leere, die Pupillen immer noch arretiert. Seit vorhin. »Wir machen den Laden hier absolut einbruchssicher. Das ganze Gelände. Es reicht mir jetzt.«
    »Und? Weißt du, wie das geht?«
    »Ich nicht«, sagt Hartmut, »aber ich weiß, wer das weiß.« Wir warten auf seine Antwort. Er sagt: »Wir müssen noch mal in die Agentur zurück. Noch ein einziges Mal.«
     
    *
     
    »Autsch!«, sagt Veith, als er am nächsten Morgen in unseren beschmierten Büroräumen steht. Der misstrauischste Mensch auf Erden wird unser Sicherheitssystem entwerfen.
    Auf dem Weg hierher hat er einen U-Bahn-Musikanten überwältigt, weil er in dessen Gitarrenkoffer eine MG vermutete, und einem Baby im Kinderwagen die Zudecke vom Leib gerissen, um sicherzugehen, dass die junge Mutter keine getarnte Bombenattentäterin ist. Man könne nie wissen, sagt er, je harmloser die Tarnung, desto gefährlicher der Terrorist; jetzt an Weihnachten habe er speziell mit Nikoläusen alle Hände voll zu tun.
    Veith hat große Papierbögen mitgebracht und Hartmut aufgetragen, die Geländegrundrisse zu besorgen. Seinen Arbeitsplatz für heute richtet er in einem toten Winkel neben der Tür und

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