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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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entstauben und wieder einräumen. Den Kleiderschrank ausmisten. Kühlschrank abtauen. Die ist andauernd nur beschäftigt, weil sie an Silvester unbedingt alles >auf null< haben will, wie sie das nennt. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Das ist für mich wie ein Schulkind, das seine Hausaufgaben bis in den Sonntag schiebt und sich dann wundert, dass alles auf einmal so viel ist. Ich hab das damals nie so gemacht, ich habe mich immer sofort nach der Schule hingesetzt und ...«
    »Mutter!«
    »Ja, entschuldige, ich rede wieder zu viel, ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht.«
    Susannes Mutter schweigt einen Moment. Hartmut raschelt mit der lettischen Kinderbettanleitung.
    »Du hast gesagt, Pana hätte dir ein Geschenk gemacht.«
    »Ja, richtig, das wollte ich erzählen. Der Pana weiß ja, dass ich nicht mehr so gerne zum Sport ins Freie gehe, und da hat er mir etwas ganz Sensationelles mitgebracht. Das kennst du auch, da läuft auch sehr häufig Werbung für im Fernsehen. Das ist so ein weißes Gerät, da steigt man drauf, und dann macht man auf dem Bildschirm Sportübungen. Balanzbrett heißt das. Als der Pana mir das gezeigt hat, war ich schon hin und weg. Nur jetzt weiß ich nicht mehr so genau, wie ich das ans Laufen kriege und bediene und überhaupt. Also, ich weiß, du hast keine Zeit, ich muss auch nur kurz wissen, wie ...«
    Susanne hält den Hörer ein Stück weit von sich, schließt die Augen und atmet buddhistisch aus und ein. Dann hält sie sich den Hörer wieder ans Ohr: »Mutter?«
    »Ja?«
    »Wenn ich dir das jetzt am Telefon erklären soll, werden wir beide uns irgendwann anschreien, und du wirst weinen.« »Aber Kind ...«
    »Außerdem haben wir so ein Gerät selber nicht. Ich muss so ein Gerät erst mal kaufen und selber bedienen, bevor ich es dir erklären kann.«
    »Das ist ein Argument.«
    »Wir sind am zweiten Weihnachtsfeiertag bei dir, dann erkläre ich es dir persönlich. Denkst du, du hältst die paar Tage aus? Ohne stattdessen Gardinen zu waschen?«
    »Ja, das schaffe ich.«
    »Gut.«
    Wir halten uns alle drei an den Händen und atmen aus. Das Kinderbett wartet.
    »Dann lasse ich dich jetzt in Ruhe«, sagt Susannes Mutter. »Nur noch eins: Wann kommt ihr denn am zweiten Weihnachtstag genau?«
    Wir lassen uns wieder los. Zu früh geatmet.
    »Das kann ich dir so genau nicht sagen, Mutter.«
    »Ja, aber ich will doch nur eine ungefähre Zeit wissen. Wird es eher zwölf oder Viertel nach zwölf?«
    »Mutter, ich weiß es noch nicht. Wir sind vorher in Wesel, es kann Glatteis geben, es kann sein, dass wir mit Hartmuts alten Freunden spätabends noch in eine Bar gehen. Es kann sein, dass ich ausschlafen muss, weil mir übel ist von der Mischung aus Gewürzgurken und glasierten Äpfeln.«
    »Ich frage ja nur, damit ich mit dem Essen planen kann. Wann ich es in den Ofen schiebe. Wann ich mit dem Dessert anfange. Das muss ja auf die Minute genau stimmen.«
    »Wenn es auf die Minute genau stimmen muss, dann bitte mich nicht um eine ungefähre Zeit, Mutter. Dann sag bitte ehrlich: >Kind, ich brauche von dir eine FBI-genaue Zeitangabe, wann der Eagle landet.<«
    »Welcher Igel? Ich will doch nur, dass es gemütlich wird.«
    »Gemütlich ist, wenn du mich nicht jetzt schon fragst, wie spät es genau wird.«
    »Aber das Essen!«
    »Mutter, wir sind auch glücklich mit halben Hähnchen und Gewürzkartoffeln.« Hartmut formt ein »O« mit den Lippen. Susanne sagt: »Die Hälfte von uns. Die andere nimmt nur die Gewürzkartoffeln zu den Hähnchen. Ohne Hähnchen.«
    »Aber kommt nicht zu früh, du weißt, dass mit mir vor 10 Uhr nichts anzufangen ist. Und kommt nicht zu spät. Um 14 Uhr erst zu essen ist blöd, wenn es um 16 Uhr schon Kuchen gibt. Vorher das Essen machen, essen, aufräumen, dann den Kuchen vorbereiten. Ich weiß, ihr wollt spontan sein, also seid spontan. Sagen wir, ihr kommt zwischen zwölf und halb eins, darauf kann man sich doch einigen, oder?«
    »Das ist natürlich eine Freiheit, von der die meisten Menschen auf der Welt nur träumen können«, sagt Susanne.
    Hartmut kichert. Ich lese einen lettischen Bausatz-Satz.
    »Gut, Kind, dann haben wir das geklärt, dann bin ich jetzt beruhigt.«
    »Das ist schön, Mutter.«
    »Und lass dich nicht stressen wegen des Kindes, hörst du? Kein Stress!«
    »Ich bin völlig entspannt.« »Gut.«
    »Tschüss, Mutter!« »Tschüss, mein Kind!«
    Susanne legt auf. »Wir müssen eine Wii kaufen.«
    »Wir sind pleite«, sage ich. »Außerdem

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