Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
Vom Netzwerk:
Geschütztürme. Aber Misstrauen, das kann helfen.«
    Hartmut verschränkt die Arme und atmet schwer. Er schüttelt den Kopf, die Pupillen weiterhin arretiert. »Nein«, sagt er. »So bin ich nicht«, sagt er. »Bau diese Geschütztürme, Veith. Aber meine Leute lasse ich in Ruhe. Es ist alles gesagt!«
     

Ecuador
    »Ja, Mama. Jawohl, Mama. So wird's gemacht!« Hartmut telefoniert mit seiner Mutter und sagt Termine für Weihnachten zu, während hinter ihm unsere nicht überprüften Mitarbeiter einen nach Veiths Plänen skizzierten Geschützturm aufbauen. Es wird bei diesem einen bleiben, darauf haben wir uns geeinigt. Er steht in der Mitte des Geländes und soll die Kameraüberwachung lediglich um ein paar menschliche Augen ergänzen. Es ist, als bekäme ein modernes Kriegsschiff trotz Radar und Elektronik noch einen Ausguck, um ganz sicherzugehen. Samir, Cevat und alle kräftigen Angestellten schweißen ihn aus Teilen alter Bademeistertürme zusammen. Es ist primitiv, aber zusammen mit der Alarmanlage (einfache Ausführung, chinesisches Fabrikat), den Überwachungsbildschirmen (alle gratis oder gebraucht, zum Teil noch aus VGA-Zeiten) und den Kameras (mittlere Ausführung mit Nachtsicht, südkoreanisches Fabrikat) hat es unsere Finanzreserven komplett aufgefressen. Hartmut ist auf null, Susanne hat noch 268,73 €, Caterina 78,12 €, und mein Konto ist im Dispo, den ich als ehemals festangestellter Malocher als Einziger von uns habe.
    »Am ersten Weihnachtstag sind wir bei meinen Eltern und deiner Mutter«, sagt Hartmut und steckt sein Handy in die Hosentasche zurück, »am zweiten Weihnachtstag bei Susannes Mutter in Köln. Caterinas Eltern sind ja in Sydney. Dann können wir am 27. schon wieder hier sein und weitermachen.«
    »Gut.«
    »Ich hab noch keine Geschenke gekauft. Im November schon überlegt und immer noch nix gekauft.« »Ich auch nicht.«
    »Das ist doch verständlich, oder? Wir müssen kein schlechtes Gewissen haben.«
    »Na ja, wir haben unglaublich viel zu tun. Wir müssen Geschütztürme bauen.«
    Hartmut lacht kurz, dann sieht er mich sehr ernst an und nimmt meine Hände in seine: »Ich will, dass mein Kind sicher ist. Vielleicht läuft es so gut, dass wir hier schnell wieder wegkommen. Aber bis dahin will ich, dass mein Kind sicher ist.«
    Ich drücke seine Hände, ich spüre seinen Herzschlag durch sie hindurch. Er ist lauter denn je. Ich spüre, wie diese Hände sich darauf freuen, bald ein Baby wickeln zu dürfen, und wie aufgeregt und feucht sie deswegen sind. Ich spüre, dass diese Hände alles für das kleine Wesen tun würden.
    »Bauen wir weiter?«, frage ich.
    Er lächelt.
    Wir gehen ins Haus.
     
    Den zukünftigen Privatwohntrakt haben die Nazis in Ruhe gelassen. Entweder wurden sie gestört, oder sie sind davor zurückgeschreckt, ein Kinderzimmer anzugreifen. Schließlich demonstrieren sie regelmäßig für die Anwendung der Todesstrafe bei Kinderschändern, was die Zivilgesellschaft in große Verwirrung stürzt. Bei dem Versuch, sich gegen das Böse zu solidarisieren, ohne das noch Bösere, gegen welches das Böse kämpfen will, zu legitimieren, sind bereits zahlreiche Bürger implodiert.
    Susanne kniet neben einem ausgepackten Kinderbettbausatz und hat gute Laune. Die Teile liegen wohlsortiert auf dem Teppich, eine ausgefaltete Anleitung daneben. Wir hocken uns dazu. Unsere Leute sollen weiter renovieren, wir bauen jetzt erst mal ein Kinderbett. So was macht das Leben lebenswert.
    Hartmut küsst Susanne, nimmt die Anleitung in die Hand und sagt: »Das ist ja auf Lettisch.« Dann klingelt Susannes Telefon.
    »Ja?«
    »Mein Kind, rate mal, was mir der Pana geschenkt hat?« »Hallo, Mutter.«
    »Ich weiß, wir haben noch ein paar Tage hin bis Weihnachten, aber der Pana fährt über die Feiertage in die Heimat, und er dachte sich, es sei schöner, wenn ich sein Geschenk jetzt schon bekäme, denn die Feiertage seien eine perfekte Zeit, damit zu spielen. Gut, ich hab die Wirtschaft, sag ich, Pana, die Wirtschaft, ich muss sehen, wo ich die Zeit hernehme. Das will ja alles gut geplant sein. Andererseits braucht man auch mal Entspannung, immerhin ist man schon über 60. Man kann sich auch unnötig Stress machen. Ich würde zum Beispiel niemals die Gardinen an einem Sonntag waschen oder zwischen den Jahren, wie das die Frau Sühak so gerne tut. Die macht alles, was im Jahr liegengeblieben ist, zwischen den Jahren. Das stell dir mal vor, Kind! Gardinen waschen, Buchregal ausräumen und

Weitere Kostenlose Bücher