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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Sache ist ein Selbstläufer. Hartmut weiß, wie er rhetorisch vorgehen muss. An ganz bestimmten Stellen seines Vortrags hat er sogenannte »Zündworte« eingebaut. Sie sollen dafür sorgen, dass die Medienvertreter ein Aha-Erlebnis haben. Sie verknüpfen unsere Geschäftsidee mit dem, was diese Leute für den großen gesamtgesellschaftlichen Trend halten. »Es kommt ausschließlich auf diese Zündwörter an«, hat Hartmut mir vorher erklärt, »was ich dazwischen sage, ist im Grunde gleichgültig. Je nach Zielgruppe muss man die passenden Zündwörter kennen. Auf einer grünen Tagung heißen sie >ökologischer Fußabdruck<, >Klimakatastrophe<, >Kyoto<, >fünf vor zwölf< und >gewissenlose Amerikaner<. Auf einer Tagung der Arbeitgeberverbände heißen sie >Lohnnebenkosten<, >Globalisierung<, >China<, >Indien< und >notwendige Maßnahmen<.« Die hippen Medienvertreter bei uns, so Hartmut, schwämmen ohnehin nur im trüben Hafenbecken ihrer eigenen Gedanken, während sie Kaffee und Kekse in sich hineinstopften, bis irgendwann ein Zündwort wie ein Scheinwerfer der Wasserschutzpolizei Licht in das Dunkel schneide. Die Zündwörter für heute Abend lauten »Individualisierung«, »Alleinstellungsmerkmal«, »Interaktivität« und vor allem: »Personentransport 3.0« sowie »guest generated taxi«. Man kann in der Tat beobachten, wie die Umstehenden während des Rests der Präsentation einnicken, ihre Kekse im Kaffee zu Brei auflösen und Termine in ihrem Blackberry ordnen, bis die Zündwörter ihre Köpfe wie an dreißig miteinander verbundenen Fäden hochreißen und sie eifrig notieren lassen, worauf es bei dieser neuen Firma tatsächlich ankommt. Taxi 3.0. Mehr brauchen sie nicht wissen. Nur einer von ihnen benimmt sich ein wenig anders, notiert mehr, beobachtet wacher die Szenerie und lässt seinen Blick immer wieder über unsere Mitarbeiter mit Migrationshintergrund streifen, die am Buffet und neben der Bühne stehen. Er ist kräftiger und älter als die anderen Journalisten und trägt den gleichen Schnauzbart wie der Irokese, nur ohne Irokesenschnitt.
    Ich höre mir mit Caterina Arm in Arm Hartmuts Performance an, als zwischen uns ihre Hose vibriert. Ihr Telefon. Sie zieht eine entschuldigende Grimasse. Wir treten beide vor die Tür auf den Hof. Ein kalter Wind zieht durch die Bäume vor der Mauer des Geländes. Es ist bereits tiefdunkel. Ich denke an das warme Licht des KaDeWe und habe Lust, Einkäufe zu machen.
    »Hallo?«, fragt Caterina und stellt das Telefon laut, da der Wind durch den Hörer pfeift.
    »Meine Tochter!«
    »Das wurde aber auch Zeit«, sagt Caterina. »Du bist die letzte der vier Mütter!« »Wie bitte?«
    »Ach, nichts. Wie geht es euch?«
    »Ganz wunderbar, Schatz. Wir waren am Wochenende in dieser Ausstellung. Die abstrakte Malerei kommt wieder, ist dir das klar? Haggerty, Abts, Nitsche. Wie der mit Scheinperspektiven arbeitet und Tauschkörpern. Beeindruckend. Großformatig, aber nicht protzig. Die eruptiven Malprozesse eines Bara, vor sieben Jahren stand er damit noch allein auf weiter Flur. Der kommt ganz klar von der Antiästhetik, verflicht Rockerslogans in seinen Bildern, haut Betonskulpturen, die wie gruselige Schädel aussehen. Es ist eine sehr aufregende Zeit gerade, ich fühle mich wie in meiner Jugend, als wir vor Newmans Who's afraid of Red .. .< standen und uns dachten: Ja! Ja, jetzt geht es los! Jetzt wird das Unterste zuoberst gekehrt! Bei Havekost waren wir auch. Hast du dir das mal angesehen? Wie der aus seinen Digitalfotos Gemälde macht ... transparent für die ursprüngliche Erfahrung und zugleich erkennbar eine eigene, in sich stimmige Konstruktion. Das hat mit Fotorealismus nichts mehr zu tun. Das ist hyperreal. Es pendelt zwischen der eigenen Erfahrung und deren Konstruktion als Bild. Eine Oberfläche, die zugleich verschlossen, aber auch durchlässig wirkt. Hast du dir das mal angesehen?«
    Caterina schaut beim Sprechen in die Wipfel der Bäume, die vom Wind hin und her geschüttelt werden. Sie sagt: »Wenn der Mann seine Wohnwagen- und Segelbootausschnitte komplett selbst malen würde, wäre ich beeindruckter.«
    Caterinas Mutter braucht einen Moment, um zu antworten. »Ach, Kind, das ist ein zutiefst kunsthandwerklicher Ansatz, das weißt du doch.«
    Caterina antwortet nicht.
    Ihre Mutter sagt: »Jakob Gasteiger hat wieder einen Zeppelin aufgeblasen. In einer Kirche. Er schwebt so, dass er den riesigen sakralen Raum fast restlos ausfüllt. Er ist gigantisch und doch

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