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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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erscheint die Wii nach unserer Zeitrechnung erst in fünf Jahren.«
    »Wir sind nicht Jochen«, sagt Hartmut.
    »Da draußen steht wieder dieser Mann vom Ministerium«, sagt Samir, der in der Tür aufgetaucht ist. »Ich glaube, er hat etwas gegen unsere Selbstverteidigungsanlage.«
    Hartmut und ich stehen auf und bedeuten Susanne, beim Kinderbettbausatz zu bleiben. Bausätze beruhigen sie, Beamte nicht. Sie darf keinen Stress haben.
     
    Draußen am Tor steht Herr Frohn und schaut dem Bau des Geschützturmes zu. Wir treten heran, er reicht uns die Hand. Dann zeigt er den Turm hinauf. »Was ist das denn?«
    »Ein Wachturm«, sagt Hartmut. Er sagt nicht »Geschützturm«, denn er ahnt, dass die geplante Besetzung des Dings mit einem bewaffneten Schützen Herrn Frohns Laune nicht heben dürfte.
    »Warum bauen Sie Wachtürme auf Ihr Gelände?«
    »Zum Selbstschutz.«
    »Entschuldigen Sie mal, diese Firma hier wird gebaut mit Geldern des Büros für Grüne Gründung, mit Subventionen aus dem Moralministerium. Was Selbstschutz ist, entscheiden hier wir.«
    »Ach ...«
    »Ja, ach!«
    Hartmut zeigt auf unser Bürogebäude: »Da drin haben wir vor ein paar Tagen Nazischmierereien gefunden. Die braunen Brüder aus der Nachbarschaft. Wollten uns warnen, gerade weil wir von Ihnen finanziert werden. Migranten, Migrantinnen, Behinderte, Quotenkommunisten: Das kommt hier nicht gut an.«
    Herr Frohn schaut hinüber: »Zeigen Sie mir den Schaden!«
    »Ist schon überstrichen. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Tempo haben wir auch von Ihnen gelernt.«
    »Ist schon überstrichen, ja?«
    »Ja.«
    »Sagen Sie mal, sehe ich aus wie ein Horst?«
    Ich fuchtele mit offenen Handflächen auf Gürtelhöhe herum, um beschwichtigend zu wirken, und sage: »Herr Frohn, niemand hier möchte Sie ...«
    Er unterbricht mich. »So was hier«, er zeigt am Turm hoch, »ist bei einem von uns gesponserten Projekt intolerabel. Allein was das alles verkörpert. Militarismus. Misstrauen. Aggression. Was sollen die Leute denn denken, gegen welche Art von Einbrechern Sie sich hier schützen? Gegen Rumänen natürlich! Gegen Usbeken!«
    »Was? Das sagen doch jetzt Sie!«
    »Nein, das ist die Wirkung, die so was hat! Es ist ... faschistoid!«
    Hartmut schwingt mit seinem Oberkörper, gestikuliert und schreit: »Herrschaftszeiten, wir bauen das Ding doch gerade gegen die Nazis!«
    »Ja, aber wird das auch so verstanden? Was man darin liest, wenn man dieses Gelände sieht, ist Abschottung. Aufrüstung. Wollen Sie hier südamerikanische Verhältnisse nachbilden? Die Stadtviertel der Reichen in Ecuador, wo sich die Familien hinter hohen Mauern mit Stacheldraht verbergen, während die Armen und Bedürftigen hungernd vor den Kameralinsen zusammensacken?«
    »Was hat denn jetzt Ecuador hiermit zu tun???«
    »Es geht um Wirkung, um Symbolik! Was denken Sie, weswegen die Politiker diese ganzen Gesetze machen? Wegen der Fakten? Es gibt Getreide, das ist gesünder mit Pestizidbehandlung als ohne. Weil sich ohne Chemie darin Schimmelpilze ausbreiten können, die tatsächlich krebserregend sind, während die Menge der Schutzgifte weit unter jeder Gefahrenmarke bleibt. Das interessiert aber die Menschen nicht. Für die Menschen fühlt sich pestizidfreies Getreide besser an, also verbieten sie Pestizide. So einfach ist das. Es geht nicht mehr um Tatsachen!« Herr Frohn verschluckt sich und hält sich die Hand vor den Mund.
    »Aha«, sagt Hartmut.
    »Das habe ich jetzt nicht gesagt«, sagt Herr Frohn und fängt sich sehr schnell wieder. »Sie wollen eine Festung aufbauen, schön. Aber rechnen Sie dann bitte mit empfindlichen Einschnitten bei der Unterstützung. So viel Biofarbe können Sie gar nicht verstreichen, um das wieder auszugleichen.« Er rückt seine Jacke zurecht und dreht sich um zum Gehen. »Also wirklich«, sagt er, »wir sind doch kein Überwachungsstaat hier.«
     

Baal
    Als wir am Tag vor Heiligabend in der Buchhandlung eines Shopping-Centers nahe Tempelhof sitzen, wo Hartmut aus seinem »Manifest der Unvollkommenheit« lesen wird, fühlen wir uns ausgeglichen und gelassen, weil wir wissen, dass unser Firmengelände nun bestens geschützt ist. Friedliche Gefühle durch unfriedliche Maßnahmen. Vier unserer Angestellten patrouillieren rund um die Uhr an allen Seiten des Geländes, und siebzehn Kameras zeichnen jeden Winkel auf und senden die Bilder in Veiths Büro, der vollkommen in seiner Aufgabe als Sicherheitschef aufgeht. Auch er hat in der Agentur gekündigt.

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