Feindfahrt
Hochachtung eines Profis für den anderen. Dieser Angriff auf Falmouth war ein Husarenstück. Ich hätte zu gern gewußt, wie er das wieder angestellt hat.«
»Dann lade ihn doch zum Essen ein, damit wir zu viert sind - wäre das nicht eine Geste? Dann könntet ihr beiden nach Her zenslust über den Krieg fachsimpeln.«
Der Sarkasmus in ihrer Stimme und ein gewisser Zorn waren nicht zu überhören.
Reeve musterte sie stirnrunzelnd, mit einem kleinen Lächeln in den Mundwinkeln. »Das ist gar keine schlechte Idee.« »Das kann nicht dein Ernst sein!«
»Wieso denn nicht?« Er wandte sich an Jean. »Hättest du was dagegen?« Sie zögerte. »Ich weiß nicht recht, Carey. Hättest du mich gestern gefragt, ich hätte dich für verrückt gehalten. Jetzt aber...« Sie krauste die Stirn. »Der Feind... Alles, was ich ei gentlich hassen müßte... Und trotzdem hat er mir gefallen. Er ist ein Mensch.«
»Kommt er nun, oder kommt er nicht?« Reeves Ton klang ein deutig ungeduldig. »Die Entscheidung liegt bei dir. Schließlich bist du hier der Arm des Gesetzes.«
»Willst du etwa vorschlagen, daß er uns für heute abend sein Ehrenwort gibt?«
»So altmodisch bin ich nun wieder nicht. Der junge Lachlan mit seinem Gewehr ist eine bessere Garantie.«
»Warum?« fragte ihn Janet verwundert. »Warum tust du nur so was?«
»Warum denn nicht? Wenigstens werde ich mal zur Abwechs lung aus erster Hand hören, wie's mit dem Krieg bestellt ist.« In seinen Augen stand Erwartung, eine Andeutung jenes wil den, unberechenbaren Carey Reeve, den sie kannte und dem sie mißtraute. »Und außerdem - ich bin der Ansicht, daß das ein höchst unterhaltsamer Abend werden kann.«
Gericke, der auf der Pritsche lag, hörte erstaunt im Büro oben das unverkennbare Lachen. Als sie den Gang betrat, sprang er auf. Sie blieb vor seiner Zelle stehen. »Ich habe diese Szene so oft im Kino gesehen, daß ich den Dialog auswendig weiß. Werden Sie hier gut behandelt?«
»Danke, ich kann nicht klagen. Welchem Anlaß verdanke ich das Vergnügen Ihres Besuchs?«
»Einer Einladung zum Essen. Von Jean Sinclair.« Lachlan, der eben hinter ihr auftauchte, schien fassungslos.
»Könnte es sich um einen Witz handeln?« fragte Gericke vor sichtig. »Pünktlich um halb acht. Da Sie keinen Smoking ha ben, genügt auch Ihre Uniform. Lachlan wird Sie hinbringen - und bitte, machen Sie keine Dummheiten! Versuchen Sie nicht, in die falsche Richtung zu laufen. Er erschießt Sie, wenn es sein muß.«
Gericke verbeugte sich. »Wie könnte ich einer so charmanten Einladung widerstehen.«
Unvermittelt ging sie davon. Lachlan starrte Gericke mit offe nem Mund an. Gericke grinste . »Nicht darüber nachdenken, mein Junge! Einfach mitmachen, genau wie ich.« Er legte sich auf seine Pritsche und stützte den Kopf in die Hände.
Kapitän Bergers Kajüte war ein einziges Durcheinander. Der Ölofen stand auf der Truhe in einer Ecke, sein Schreibtisch war vollständig leergeräumt worden, um einer Sammlung von Töp fen und Pfannen Platz zu machen. Die Schwestern Regina, Elisabeth und Brigitte teilten an die Besatzungsmitglieder Es sen aus, was nicht ohne gewisse Komplikationen abging, da der Wind sich zu einem ausgewachsenen Orkan gesteigert hatte und der Boden sich jedesmal, wenn die Deutschland durch schwere Seen stampfte, um einige Grad unter ihren Füßen neigte. Um niemandem im Wege zu sein, stand der Kapitän in der Ecke, in einer Hand ein Glas Rum, in der anderen die Fla sche. Er war eben, durchgefroren bis auf die Knochen, mit re gentriefendem Ölzeug vom Achterdeck hereingekommen. Schwester Regina sah zu ihm hinüber . »Etwas zu essen, Herr Kapitän?« Berger schüttelte bedauernd den Kopf . »Keine Zeit, Schwester. Zuviel zu tun. Haben Sie irgendwelche Probleme hier?«
»Die Männer kommen , wann immer sie Zeit haben. Jedesmal drei bis vier auf einmal. Aber wenigstens können wir hier den Ofen in Gang halten.«
»Ach ja , warmes Essen!« entgegnete Berger. »Das ist das be ste, was einem Seemann bei diesem Wetter passieren kann. Ich bin Ihnen sehr dankbar, meine Damen. Wir sind Ihnen alle sehr dankbar, glauben Sie mir.« Er leerte sein Glas. »Ich muß wie der raus.«
Er öffnete die Tür, trat hinaus und hatte Mühe, sie bei dem Sturm wieder ins Schloß zu drücken. Die Deutschland arbeitete sich unter voller Besegelung durch schwerste Seen; wenn sie rollte, ergossen sich Ströme von Wasser über das Schanzkleid. Das Ruder wurde von zwei Mann gehalten,
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