Feindfahrt
die Ladeluken wa ren unter einem Mahlstrom begraben, der ihm, als er sich zum Niedergang vorarbeitete, zuweilen bis an die Hüften ging. Mit einem Wasserschwall trat er ein, schloß die Tür hinter sich und stieg hinunter.
Auf dem Boden des Salons stand das Wasser zwanzig Zenti meter hoch. Das Oberlicht war mit Brettern vernagelt, an zwei Haken an der Decke baumelten Sturmlaternen.
Vier Mann der Besatzung warteten geduldig, bis die Reihe in Schwester Angelas Nachmittagsambulanz an ihnen war. Ein junger Mechanikermaat namens Sporer lag auf dem Tisch, den linken Ärmel hochgerollt , das Handgelenk mit einem dicken Kranz eitriger Salzwassergeschwüre bedeckt. Schwester Ange la stand neben ihm , den Rocksaum geschürzt und in den Gürtel gesteckt. Ihr gegenüber hielt Maria ein Instrumententablett und eine Schale. Am Kopfende des Tisches stand Helmut Richter. »Was soll das alles?« erkundigte sich Berger.
»Die Infektion hat sich so sehr verschlimmert , daß er den Arm nicht mehr gebrauchen kann.« Schwester Angela griff nach dem Skalpell. »Und jetzt beiß die Zähne zusammen , Karl! Schön tapfer sein. Ich mache so schnell , wie ich kann.« Sporer , ganze achtzehn Jahre alt , hatte Angst; sein Gesicht glänzte von Schweiß. Schwester Angela nickte dem Boots mann zu , der dem jungen Maat beide Hände auf die Schultern drückte. Plötzlich krängte die Deutschland in einer Sturmbö , daß im Salon eine Miniaturwoge von einem Schott zum ande ren schwappte.
Einer der Männer verlor das Gleichgewicht und landete auf allen vieren im Wasser; Schwester Angela jedoch stemmte sich gegen den Tisch , beugte sich über ihren Patienten und machte sich an die Arbeit. Als sie die Geschwüre eins nach dem ande ren aufstach und der Eiter herausspritzte , verbreitete sich ein ekelerregender Gestank im Raum. Der Junge stieß einen lauten Schrei aus, bäumte sich trotz des eisernen Drucks, den Richter auf seine Schultern ausübte, auf - und wurde ohnmächtig. Schwester Angela arbeitete mit unerhörtem Tempo, denn jetzt brauchte sie nicht mehr vorsichtig zu sein. Maria reichte ihr wortlos ein Instrument nach dem anderen. Als sie die Wunden verband, fragte Berger: »Leiden jetzt viele Männer an diesen Dingern?« »Etwa die Hälfte«, antwortete sie.
Berger, der sich umdrehte, merkte, daß Richter ihn beobachte te. »Eine sehr lange Fahrt, Käpt'n.«
Berger nickte, zutiefst erschöpft. »Das scheint mir auch so.«
Es war kurz vor halb acht und dämmerte bereits, als Gericke mit Lachlan das breite Tor des Fhada House durchschritt und die kiesbelegte Einfahrt entlangmarschierte. Die beiden stiegen die Vortreppe hinauf, und der Deutsche zog an der altmodi schen Klingel.
Innen näherten sich Schritte, und gleich darauf wurde die Tür von einer liebenswürdigen, etwa sechzigjährigen Frau geöffnet, die sich das graue Haar im Nacken zum Knoten aufgesteckt hatte. Sie trug ein schwarzes Kleid mit einer gestärkten, weißen Schürze.
Lächelnd, ohne jegliche Überraschung, sagte sie höflich: »Tre ten Sie näher, Sir.«
»Danke.« Gericke betrat die Diele, während Lachlan, der ihm folgte, sein Gewehr umklammerte.
»Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen, Sir?« Sie verschwand in einem kleinen Garderobenraum, tauchte jedoch sofort wie der auf. »Die anderen Herrschaften sind im Salon. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.« Eine Hand bereits am Türknauf, hielt sie aber noch einmal inne. »Wen darf ich melden?«
Gericke, immer fester überzeugt, daß er einen skurrilen Alp
traum erlebte, antwortete: »Korvettenkapitän Paul Gericke. Ich werde erwartet«, fügte er ernst hinzu.
»O ja, Sir.« Sie öffnete die Tür und ging ihnen voran. »Korvet
tenkapitän Gericke, Madam.«
»Danke, Mary.«
Jean Sinclair, Reeve und Janet saßen, Sherrygläser in den Hän den, am Feuer; zu ihren Füßen hatte Rory es sich bequem ge macht. Jean reichte Gericke die Hand. »Ich freue mich sehr, daß Sie kommen konnten, Commander.« Dann wandte sie sich an Reeve. »Bitte, Carey, hol Commander Gericke doch etwas zu trinken.«
Lachlan postierte sich an der Tür. »Guten Abend, Lachlan« , sagte Jean. »Wie geht's deiner Mutter?« »Danke, gut, Mrs. Sinclair.«
»Richte ihr aus, daß ich mich nach ihr erkundigt habe, ja?« Sekunden später stand Gericke, ein wenig benommen, vor dem Kamin, in der einen Hand ein Glas ausgezeichneten Sherry, in der anderen eine Zigarette.
»Ich hoffe sehr, daß man es Ihnen da unten möglichst bequem gemacht hat«, setzte Jean die
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