Feindgebiet
fort. »Diese elenden gefleckten Schlangen! Überall waren die Viecher. Kleine widerliche Dinger mit einem verdammt tödlichen Gift. Krochen in die Unterstände und bissen zu. Ekelhafte Kreaturen. Es musste dringend etwas geschehen.
Ich überlege also eine Weile und lasse dann meine Jungs antreten. Sie treten an und vor Staunen fällt ihnen beinahe der Unterkiefer ab, als sie mich mit einer gefleckten Schlange in der Hand erblicken.
Und dann sage ich: ›Hört gut zu, Leute. Ich habe hier eine gefleckte Schlange, richtig?«
Und meine Leute antworten im Chor: ›Jawohl, Sir, eine gefleckte Schlangen.‹
›Ich werde euch jetzt die Lösung des Problems mit den gefleckten Schlangen demonstrieren. Immer schön der Reihe nach.
Nummer eins: man packt die Schlange mit der rechten Hand.
Nummer zwei: man packt die Schlange auch mit der linken Hand.
Nummer drei: man schiebt die rechte Hand hinter den Schlangenkopf, und bei Nummer vier schnippt man den Schlangenkopf – plop! – mit dem Daumen weg!‹
Die Männer glotzen mich ungläubig an. Dann gehen sie wieder kämpfen.
In den nächsten beiden Wochen hört man überall auf unserem Abschnitt kaum etwas anderes mehr als plop!plop!plop! Überall liegen diese Schlangenköpfe herum.
Die Moral steigt wieder, wir haben keine Deserteure mehr, keine Straftaten, und sogar die Pockenrate sinkt auf ein Minimum.
Mein Problem ist gelöst. Dann, eines schönen Tages, statte ich dem Feldlazarett einen Besuch ab.
Da liegt doch tatsächlich ein armer Tölpel, von oben bis unten eingewickelt. Von Kopf bis Fuß bandagiert.
Ich frage ihn: ›Was ist denn mit dir passiert?‹
Und er krächzt: ›Gefleckte Schlangen, Sir!‹
›Gefleckte Schlangen?‹ sage ich.
›Ganz richtig, Sir. Gefleckte Schlangen.‹
›Erzähl weiter, mein Junge‹, fordere ich ihn auf.
Alex sah ein wenig besorgt aus, doch da öffnete sich die Tür schon wieder, und der gleiche Arm’ streckte sich geräuschlos herein und hängte Uniformjacke und Koppel wieder an den alten Platz. Alex zögerte einen Moment, dann widmete er sich mit neuer Inbrunst dem Fortgang seiner Geschichte – falls sich sein abstruser Bericht wirklich noch zu einer Geschichte entwickeln sollte. Sten hingegen überlegte sich, was wohl die langsamste und schmerzvollste Art der Hinrichtung war; er war fest entschlossen, sie seinem technischen Offizier angedeihen zu lassen.
»›Sir‹, erzählt der bandagierte Kerl weiter. ›Wissen Sie noch, wie Sie uns erzählt haben, wie wir mit den gefleckten Schlangen verfahren sollen?‹
›Mit den gefleckten Schlangen, klar. Aber ich wusste nicht - ‹
›Ich will es Ihnen erzählen. Ich war kürzlich nachts auf Patrouillendienst. Da gleitet dieses elende bepelzte Dings mit Flecken in mein Schützenloch. Genau wie Sie sagten, Mr. Kilgour, schnappe ich es mir bei Eins mit der rechten Hand, bei Zwei mit der linken Hand und bei Drei rutsche ich mit der Hand nach vorne, und dann, bei Vier, mache ich plop! … und, Sir, ob Sie’s glauben oder nicht: plötzlich sitze ich da in meinem Schützenloch und stecke mit dem Daumen im Arsch eines Tigers!‹«
Vollkommenes, tödliches Schweigen.
Schließlich ergriff N’chlos das Wort: »Das war der mieseste und blödeste Witz, den ich je gehört habe.«
Zum ersten und letzten Mal musste Sten einem Tahn von ganzem Herzen zustimmen.
St. Clair spähte in das Halbdunkel und schaute zu, wie ihre seltsame Mitbewohnerin mit ihren Skizzen anfing. Nur aus der Erinnerung malte sie die Kennkarte des Tahn direkt auf eine photoempfindliche Platte. Zuerst hatte sie widersprechen wollen, als Sten sie anwies, mit der scheuen Kerr zusammenzuziehen, hatte sich dann ihren Protest jedoch verkniffen. Sie gönnte dem Blödmann nicht die Befriedigung, über ihre Bedenken Bescheid zu wissen. Es hatte nichts damit zu tun, dass L’n kein Mensch war.
St. Clair war einfach lieber allein. Sie war schon immer solo gewesen, hatte sich seit jeher auf sich selbst verlassen, ohne sich von einem Gefühl der Verantwortung einem anderen Wesen gegenüber zurückhalten zu lassen. St. Clair hatte aufgrund ihrer Risikobereitschaft überlebt, nicht weil sie ständig zögerte. Und L’n war genau die Art von Geschöpf, die einem diese kalten Gefühle erschwerte.
Trotzdem wohnte dieser Kopplung mit L’n eine gewisse Logik inne. Es hatte viele Vorteile, wenn sie als Hauptorganisierer direkt mit der kleinen Künstlerin in Verbindung stand. Es bedurfte allerdings einer gewissen Gewöhnung.
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