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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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glauben doch nicht im Ernst, daß ich mitten in der Nacht durch die Gegend renne und in fremde Autos einsteige, ohne einen verdammt guten Grund zu haben, oder? Auch wenn ich nicht mal halb so groß bin wie Sie, bekomme ich doch den Eindruck, daß ich mehr Hirn im Kopf habe, als unter Ihren Helm paßt.«
    »Ich trage keinen Helm«, entgegnete der Inspektor gereizt und betrachtete den abgebissenen Dildo mit einem Anflug von Sympathie. »Also, warum sind Sie eingestiegen?«
    »Weil ich auf ein Inserat in der Gazette geantwortet habe, in dem eine Dame gesucht wurde, und daraufhin heute nachmittag einen Anruf bekam.«
    »Eine Dame? Was für eine Sorte Dame?«
    »Meine Sorte natürlich«, sagte Consuelo, kramte in ihrer Handtasche und zog schließlich die ausgeschnittene Anzeige hervor.
    Der Inspektor las. »Ein einsamer, gutsituierter Gentleman mittleren Alters und restringierter Größe sucht ... Antworten Sie öfter auf derartige Anzeigen?«
    »So gut wie jeden Tag«, sagte Consuelo. »Schließlich sieht man sie doch überall, oder etwa nicht? Heutzutage kann man doch kaum mehr eine Zeitung aufschlagen, ohne über Hilferufe einsamer Zwerge zu stolpern, die Gesellschaft suchen. Gebrauchen Sie doch mal Ihr Hirn.«
    »Kein Grund, grob zu werden«, sagte der Inspektor. »Wir wollen Ihnen doch nur helfen.«
    »So? Also wenn ich Ihre Hilfe brauche, dann rufe ich die Feuerwehr«, sagte Consuelo und sammelte ihre Sachen zusammen. »Auch wenn ich eine Person restringierter Größe bin – obwohl ich es vorziehe, schlicht und einfach als Zwerg bezeichnet zu werden –, leide ich zumindest nicht unter der Behinderung durch ein restringiertes Hirn. Die überlasse ich Ihnen.«
    Als sie gegangen war, seufzten alle erleichtert auf. »Zumindest hat sie uns ein paar nützliche Hinweise gegeben«, sagte der Inspektor. »Ich möchte, daß die anderen Opfer daraufhin überprüft werden, ob sie auch auf diese Annonce in der Seufzerspalte geantwortet haben.«
    »Seufzerspalte ist wirklich das richtige Wort dafür«, sagte der Sergeant, während er die Dildospitze in eine Plastiktüte stopfte. »Und wenn wir noch ein paar einsame und verzweifelte Zwerginnen finden, werden wir ihre Häuser beschatten lassen und dieses Scheusal hoffentlich auf frischer Tat ertappen.« Diese Hoffnung war jedoch nur von kurzer Dauer. Consuelo Smith hatte sich bereits ans Telefon gehängt und die Exklusivrechte an ihrer Geschichte so erfolgreich an mehrere Fleet-Street-Zeitungen verkauft, daß am nächsten Morgen als Schlagzeile auf den Titelseiten von vier überregionalen Tageszeitungen stand: ZWERGENSCHÄNDER SCHLÄGT
    ERNEUT ZU.
    Im Handumdrehen war Briskerton von Reportern überschwemmt, die darauf versessen waren, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen, und Inspektor Garnet zu der Aussage provoziert hatten, die Verhaftung und Verurteilung von Professor Yapp wegen Mordes an Willy Coppett sei durchaus kein Justizirrtum.
    »Wenn das so ist, würde es Ihnen dann etwas ausmachen, uns zu verraten, welche Maßnahmen die Polizei ergreifen will, um die anderen Zwerge in dieser Gegend zu schützen?« fragte ein Reporter, der die Telefonistin von der Polizeistation bestochen und auf diese Weise erfahren hatte, daß Consuelo Smith die dritte Zwergin war, die innerhalb weniger Tage überfallen worden war.
    »Kein Kommentar«, sagte der Inspektor.
    »Dann sind Sie also nicht der Ansicht, daß es eine Verbindung zwischen diesen letzten drei Überfällen des Zwergenschänders und dem Mord an Mr. Coppett gibt?«
    »Ganz bestimmt nicht«, sagte der Inspektor, der gleich darauf eine äußerst unangenehme Unterredung mit dem Polizeidirektor hatte, welcher die Ansicht des Reporters teilte. »Aber diese neuerlichen Überfälle sind von einer Frau verübt worden«, sagte der Inspektor unlogischerweise. »Die Experten von der Gerichtsmedizin haben bei ihrer Untersuchung dieser Decke überzeugende Beweise sichergestellt. Sie haben Spuren von Gesichtspuder und Lippenstift darauf gefunden. Und ein paar gefärbte Haare.«
    »Und wahrscheinlich hat Sie Ihr sogenannter Verstand noch nicht auf die Idee gebracht, daß der Fall Professor Yapp weitgehend auf der Aussage von Mrs. Coppett basierte. Wenn Sie wissen, was Ihrer Karriere nützt, dann nehmen Sie sie in Untersuchungshaft, bevor wir noch einen verfluchten Mord am Hals haben.«
    Nach diesem Gespräch war Inspektor Garnet selbst in mörderischer Laune. »Es ist alles Ihre Scheißschuld«, brüllte er den Sergeant auf der

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