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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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So kam er zu mir und wollte einen Wagen mieten.«
    Frederick nippte an seinem Cognac und hörte aufmerksam zu. »Glauben Sie, daß er echt ist?« fragte Mr. Parmiter nach einer Weile.
    »Ich fürchte schon«, sagte Frederick. »Er ist eine ziemlich bekannte Figur, dieser Professor Yapp. Er sitzt in Regierungskommissionen für Lohnschiedsverfahren und solches Zeug.«
    »Dann wundert es mich nicht, daß er sich über Steuertricks und den Rabatt aufgeregt hat, den ich ihm bei Barzahlung angeboten habe.«
    »Zahlt fünf Pfund pro Tag«, sagte Willy. »Hat sie Rosie schon gegeben.«
    Frederick zahlte noch eine Runde. »Und hat er gesagt, was er hier will?«
    Willy schüttelte den Kopf.
    »Also, hören Sie zu, ich möchte, daß Sie was für mich tun. Ich möchte, daß Sie genau auf alles aufpassen, was er sagt, und mir dann Bericht erstatten. Glauben Sie, daß Sie das können?« Frederick holte eine Zehnpfundnote aus seiner Brieftasche und legte sie auf den Tresen. »Und wenn Sie mir sagen, wohin er geht und was er so treibt, gibt es noch mehr von der Sorte.« Willy nickte heftig. Wer oder was Professor Yapp auch sein mochte, eine nützliche zusätzliche Einnahmequelle war er auf alle Fälle.
    »Kommen Sie einfach in mein Büro, wenn Sie was wissen«, sagte Frederick und stand auf. Willy nickte und tauchte unter den Tresen.
    »Sonderbar«, sagte Mr. Parmiter, nachdem Frederick gegangen war, »muß schon was ganz Besonderes sein, dieser Yapp, daß sich Mr. Petrefact so für ihn interessiert. Immerhin allerhand, daß er Willy beauftragt, sich an die Fersen von diesem Schnüffler zu hängen.«
    »Würde mich nicht wundern, wenn sich herausstellt, daß er von der Steuerfahndung ist«, meinte der Wirt. »Vielleicht will er sich dieses dubiose Lagerhaus da unten ansehen.«
    »Da könntest du recht haben. In diesem Fall steht Mr. Yapp eine recht unangenehme Überraschung bevor.« In gewisser Hinsicht sollte er recht behalten. Als Yapp in die Rabbitry Road einbog und den klapprigen Wagen vor der Nummer 9 parkte, schwelgte er in jener Gefühlsmischung aus persönlichem Wohlwollen und sozialer Empörung, die seine Studenten so inspirierte und den Aufenthaltsraum der Dozenten in Kloone so zuverlässig leerfegte. Diesmal richtete sich sein Wohlwollen auf die Coppetts und seine Empörung gegen die verwahrloste Umgebung und das klägliche Versagen der sozialen Einrichtungen, die Willy nicht einmal zu einer Behindertenrente verholten hatten. In Waiden Yapps Augen war Kleinwüchsigkeit eine ernstzunehmende Behinderung. Er wäre nie auf die Idee gekommen, daß Willy Coppett sich durch das Angebot einer Rente, die er ohnehin abgelehnt hätte, nicht nur zutiefst in seinem Stolz getroffen gefühlt hätte, sondern daß er es sogar ausgesprochen genoß, der einzige Zwerg in Buscott zu sein. Aber Yapps paradoxer Denkweise zufolge ging das Recht auf Arbeit Hand in Hand mit dem Anspruch auf Rente, was bedeutete, daß Willy nicht zu arbeiten brauchte. Das Argument, daß die arbeitende Klasse nicht mehr in eben diese Kategorie fiele, wenn sie nicht arbeiten müßte, hatte er längst entkräftet, indem er darauf hinwies, daß die faulen Reichen mit wenigen Ausnahmen extrem hart arbeiteten, ein Ergebnis, das durch die Erkenntnisse von Doris, dem Computer, bestätigt wurde. Doch als er aus dem Wagen stieg und betrübt durch die groteske Menagerie der Gartenzwerge stapfte, die in der Dunkelheit jegliche individuellen Züge eingebüßt hatten und ihm für den Bruchteil einer Sekunde den Eindruck vermittelten, als würde Willys gesamte Verwandtschaft hier auf ihn wartenüberlegte er, ob er seinen Einfluß nicht irgendwie geltend machen könnte, um die Coppetts aus dieser gräßlichen Umgebung zu entfernen und ihnen eine Arbeit an der Universität zu vermitteln. Er mußte unbedingt mit ihnen darüber reden. Er ging ums Haus herum zum Kücheneingang. Noch immer hing der schwere Geruch von Kutteln und Zwiebeln in der Luft, in den sich jetzt allerdings noch ein anderer Duft mischte. Yapp blieb mit dem Koffer in der Hand einen Augenblick lang stehen und schnüffelte. Da tauchte drinnen eine Erscheinung auf. Ungläubig starrte Yapp sie an. Obwohl er nicht daran zweifelte, daß es wirklich eine Erscheinung war, mußte es doch eine logische Erklärung dafür geben. Doch die entzog sich ihm. Mrs. Coppetts Makeup, vor allem die unbeholfen aufgetragenen grünen Augenlider, wirkten so gespenstisch, daß sie im Halbdunkel wie eine von Chagall in einem Augenblick

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