Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
Coppetts Gesellschaft war gewiß unverantwortlich, und das machte alles nur um so trauriger. Das kindliche Vergnügen, das es ihr bereitete, im Auto herumzukutschieren, zerstreute seine extensive Besorgnis, während ihre Nähe und das unberechenbare Geschaukel des Wagens unvermeidlich andere Extensionen herbeiführten. Hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, jene Extras in Anspruch zu nehmen, die sie am Abend zuvor so lebhaft angeboten hatte, und einem Gewissen, das es ihm nie gestatten würde, die Frau eines Perg zu verführen, fuhr Yapp zehn Meilen über Land und zweimal quer durch Buscott, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was andere Leute denken könnten. Rosie schaukelte und kicherte auf dem Beifahrersitz, und als er einmal zu schnell in eine Kurve ging, packte sie vor Aufregung seinen Arm so heftig, daß er den Wagen um ein Haar durch die Hecke auf einen Acker gesteuert hätte. Als Yapp schließlich vor dem Haus in der Rabbitry Road anhielt und sie ihm voller Dankbarkeit prompt einen Kuß verpaßte, verlor er beinahe die Selbstbeherrschung. »Das dürfen Sie nicht«, murmelte er heiser. »Was darf ich nicht?« fragte Rosie.
    »Mich so küssen.«
    »Na, kommen Sie. Küssen ist doch nett.«
    »Das weiß ich, aber was sollen die Leute denken?«
    »Das ist mir egal«, sagte Rosie und gab ihm einen zweiten, so heftigen Kuß, daß es Yapp auch egal war. »Kommen Sie rein, dann gebe ich Ihnen einen richtigen Kuß«, sagte Rosie, stieg aus und verkündete lauthals, so daß es mehrere Nachbarn hören konnten, daß sie mit einem echten Gentleman spazierengefahren sei und daß er einen Kuß und eine Umarmung verdient habe, oder etwa nicht? Sie hüpfte zwischen den Gartenzwergen hindurch, während Waiden Yapp mit seinem Gewissen und höchst unbehaglichen Unterhosen kämpfte. In seinem Zustand konnte er unmöglich ins Haus gehen. Die arme Frau würde den einzig möglichen Schluß ziehen, und außerdem gab es noch Willy zu bedenken. Vielleicht war er inzwischen nach Hause gekommen. Und wenn, dann wären seine Schlußfolgerungen noch weitaus gefährlicher als Rosies. Yapp ließ den Motor wieder an und wollte schon losfahren, als sie ums Haus gelaufen kam. »Warten Sie auf mich«, rief sie.
    »Geht nicht«, rief Yapp zurück. »Diese Angelegenheit muß ich allein erledigen.«
    Der Wagen setzte sich in Bewegung und ließ Rosie Coppett und einige neugierige Nachbarn in Ungewißheit zurück. Auch Yapp hatte viel von seiner Selbstgewißheit eingebüßt. Noch nie in seinem Leben, das der Umverteilung von Reichtum, rational begründeten Beziehungen und dem Ziel, sich ein totales Wissen anzueignen, gewidmet war, hatte er eine unfreiwillige Emission im abendlichen Zwielicht gehabt. Er empfand sie als äußerst störend und konnte sie sich rational nur mit dem schlechten Straßenzustand und den altersschwachen Stoßdämpfern des Wagens erklären. Doch dann fiel ihm ein, daß diese Kombination nicht schuld sein konnte. Zu jenem Zeitpunkt nämlich hatte der Wagen gestanden. Nein, es war eine physiologische Reaktion auf Rosies Kuß gewesen. Zum erstenmal mußte Yapp zugeben, daß etwas für die Theorie des Tiermagnetismus sprach. Es sprach auch etwas dafür, so bald wie möglich anzuhalten und sich dieser Unterhose zu entledigen.
    Yapp bremste, fuhr an den Straßenrand und stieg aus. Gerade wollte er seinen Gürtel aufmachen, als zwei Scheinwerfer um die Ecke kamen. Yapp duckte sich hinter den Vauxhall, bis das Auto vorbeigefahren war, mußte das Versteckspiel aber ein paar Minuten später wiederholen, als sich ein Wagen aus der anderen Richtung näherte.
    »Mist«, sagte Yapp und beschloß, woanders hinzugehen, um nicht alle paar Sekunden in Flutlicht getaucht zu werden. Aber wohin? Ein Gatter in der Hecke brachte ihn auf die Idee, er könnte auf der anderen Seite ungestörter sein. Yapp kletterte hinüber, entdeckte bei dieser Gelegenheit, daß die oberste Latte mit Stacheldraht umwickelt war, ritzte sich die Hände auf und stellte, nachdem er auf der anderen Seite hinuntergeplumpst war, fest, daß er sich nach wie vor im Rampenlicht befand, sobald ein Auto über den Hügel kam. Er stand auf und sah sich um. Jenseits des Ackers schien es Büsche zu geben. Dort würde er außer Sichtweite des vorbeifahrenden Verkehrs sein, überquerte den Acker, kletterte über ein Steinmäuerchen, schlüpfte aus seiner Unterhose und versuchte, so gut er konnte, die Spuren der Leidenschaft von seiner Hose abzuwischen. In der Dunkelheit war das

Weitere Kostenlose Bücher