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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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an der Schürze ab und ging voller Entschlossenheit ins Haus. Professor Waiden Yapp mußte um jeden Preis daran gehindert werden, seine Nachforschungen weiter voranzutreiben. Er war schon zu weit gegangen.

Kapitel 17
    Genaugenommen hatte sich Yapp etwa achtunddreißig Meilen mit weitaus höherer Geschwindigkeit, als es seiner Gewohnheit entsprach, fortbewegt, als sich zu seiner moralischen Entrüstung über die Ausbeutung der Arbeiter in Buscott die seiner Geruchsnerven gesellte und bald alles andere in den Hintergrund drängte. Als er nach einiger Zeit an einer Kreuzung anhalten mußte, war er unschlüssig, ob er weiterfahren oder den Wagen zur Mr. Parmiter zurückbringen und sich beschweren sollte, daß etwas mit der Karre nicht stimmte. Aber nachdem er schon so weit gefahren war und Mr. Parmiter nicht gerade in bester Erinnerung hatte, fuhr er weiter. Vielleicht würde der grauenhafte Gestank wieder verschwinden. Zumindest ließ er nach, wenn er schnell und mit offenen Fenstern und eingeschalteter Lüftung fuhr. Doch sobald er die Geschwindigkeit drosselte, schien er ihn wieder einzuholen. Es war ein ausgesprochen ekelhafter Gestank. Yapp hätte nicht sagen können, woher er stammte, aber daß er irgendwas mit Schweinemist zu tun hatte, erschien ihm inzwischen ausgeschlossen. Es war ein Gestank, wie er ihn noch nie erlebt hatte, und da er ihn so unmittelbar nach dieser Grippe überfiel, hatte er eine verheerende Wirkung auf seinen Magen. In seiner Verzweiflung fuhr Yapp an den Straßenrand, stieg aus und atmete tief die frische Luft ein.
    Nachdem er sich wieder etwas besser fühlte, steckte er seinen Kopf durchs Fenster in den Wagen und schnüffelte. Der abscheuliche Gestank war noch immer da. Im Vergleich mit der reinen Luft ringsum roch es jetzt schlimmer denn je. Was immer diesen Geruch verursachte, es mußte mit dem Wagen zu tun haben. Und zum ersten Mal kam Yapp nun der Gedanke, er konnte etwas mit Tod zu tun haben. Vielleicht hatte er ein Kaninchen überfahren, das sich im Keilriemen verfangen hatte.
    Er öffnete die Kühlerhaube und schaute hinein, konnte jedoch nichts entdecken. Die Luft im Motorraum war entschieden besser als im Wageninneren. Nachdem Yapp die Haube wieder zugemacht hatte, öffnete er die Tür hinter dem Fahrersitz und schnüffelte abermals. Der Gestank war zweifellos da, doch obwohl er den Boden absuchte und unter den Sitzen herumtastete, fand er nichts, was ihm eine Erklärung dafür geliefert hätte. Blieb nur noch der Kofferraum. Yapp kletterte wieder aus dem Wagen, atmete noch ein paarmal tief ein, ging nach hinten und öffnete den Deckel. Im nächsten Augenblick taumelte er zurück, stolperte über das Fahrgestell eines ramponierten Kinderwagens, schlug rücklings auf den Boden und starrte wie ein Geisteskranker in den Himmel. Er war nicht mehr wolkenlos, denn das Wetter hatte sich verschlechtert, doch bot er zumindest einen ungleich erfreulicheren Anblick als das, was da im Kofferraum lag.
    Mehrere Minuten lang lag Yapp so da und versuchte, sich den grausigen Anblick des verwesenden Zwerges wegzudenken. Doch seine Vorstellungskraft ließ ihn schmählich im Stich, so daß er schließlich mit dem schrecklichen Gefühl, daß er verrückt geworden sein mußte und halluzinierte, aufstand, sein Hosenbein aus dem rostigen Kinderwagengestänge befreite und ein zweites Mal in den Kofferraum sah. Diesmal konnte es weder einen Zweifel über die Realität des Inhalts noch über dessen Identität geben. Obwohl deutlich eingedellt und post mortem wie ein Fötus eingerollt, konnte man den verblichenen Willy Coppett schwerlich mit jemand anderem verwechseln. Das gelang nicht einmal Yapp, der ihn liebend gern gegen erste Anzeichen für ausbrechenden Wahnsinn eingetauscht hätte. Geisteskrankheiten konnte man mit Hilfe der modernen Medizin heilen, aber für tote Zwerge kam jegliche Hilfe zu spät. Rasch schlug Yapp den Kofferraumdeckel zu und begann krampfhaft nachzudenken. Es war nicht einfach. Eine Leiche, noch dazu eine so übel zugerichtete, im Kofferraum des Wagens, den er seit einigen Tagen fuhr, trug nicht gerade dazu bei, seine Denkfähigkeit zu verbessern. Wie war Willy Coppett bloß da hineingelangt? Zwei kurze Blicke hatten genügt, um jeden Zweifel darüber zu beseitigen, daß das nicht aus eigener Kraft geschehen war. Jemand hatte ihn hineingelegt. Und vor allem hatte ihn offensichtlich jemand umgebracht. Zwerge, auch wenn sie aufgrund ihres grausigen Jobs noch so sehr unter Entfremdung

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