Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
Vom Netzwerk:
weiterfuhr, würde irgendwann eine Straße abzweigen, die ihn überquerte, und wenn eine Straße einen Fluß überquerte, geschah das auf einer Brücke.
    Yapp stieg wieder in den Vauxhall, dankte Gott, daß kein Auto vorbeigekommen war, das ihn auf dem Seitenstreifen hätte sehen können, betete inbrünstig, die Regenfälle der letzten Nacht möchten den Bus in einen reißenden Strom verwandelt haben, und fuhr los. Zwanzig Minuten später erreichte er die Brücke und stellte beim Hinüberfahren dankbar fest, daß der Fluß zwar nicht zu einem Strom angeschwollen war, aber breit und ausreichend tief war. Zum Glück war auch die Straße, die er eingeschlagen hatte, völlig leer. Weder war ihm ein anderes Auto begegnet, noch gab es in Sichtweite ein einziges Haus. Zu beiden Seiten des Flusses zogen sich Wälder hinauf ins öde Heideland, dessen Depopularisierung er am Tag seiner Ankunft so unzutreffend diagnostiziert hatte. Jetzt war er dankbar für die Öde, fuhr jedoch, um sich zu vergewissern, daß niemand ihn beobachtete, auf der anderen Seite der Brücke auf den Hügel hinauf und ließ seinen Blick über die kahle Landschaft wandern. Auch hier war weit und breit kein Haus zu sehen. Er wendete den Wagen, fuhr zur Brücke zurück und parkte unter ein paar Bäumen, wo leere Zigarettenschachteln, eingedellte Bierdosen und Papierreste darauf hindeuteten, daß hier ab und zu Picknicks veranstaltet wurden.
    Yapp stieg aus und horchte, doch abgesehen vom Plätschern des Russes und gelegentlichem Vögelgezwitscher herrschte Stille. Kein Mensch weit und breit. Ausgezeichnet. Von den folgenden fünf Minuten konnte man das nicht behaupten. Der verblichene Willy Coppett stank nicht nur gottsjämmerlich zum Himmel, sondern zeigte auch eine deutliche Abneigung, den Kofferraum zu verlassen. Seine kleinen Schuhe blieben seitlich hängen, und der Körper klebte an mehreren Stellen fest, so daß Yapp ihn fester anpacken mußte, als seinem Magen lieb war. Zweimal hatte er den Kampf vorübergehend aufgegeben und sich erbrochen, und als es ihm schließlich gelang, die Leiche aus dem Kofferraum zu zerren, stellte er zu seinem Entsetzen fest, daß Willy nicht ausschließlich aufgrund der durch einen stumpfen Gegenstand verursachten Verletzungen gestorben warsondern daß auch ein extrem scharfer daran beteiligt war. Dies wurde Yapp schmerzlich bewußt, als sich die aus Willys Rücken ragende Messerspitze so heftig in seinen Magen bohrte, daß er die Leiche, anstatt sie auf die Brücke zu tragen und von dort aus in den Fluß zu werden, fallen ließ und voller Grauen mit ansehen mußte, wie sie langsam die Böschung hinunter und ins Wasser rollte.
    Yapps Panik hielt trotzdem an. Seine mangelnde Erfahrung mit der Beseitigung von Leichen auf dem Wasserweg hatte ihn zu der Annahme verleitet, daß sie sanken. Nicht so der verblichene Willy Coppett. Langsam trieb er stromabwärts, verfing sich für ein paar Sekunden in einem ins Wasser hängenden Busch, wurde von der Strömung herumgewirbelt, kollidierte mit einer Holzplanke und verschwand schließlich um eine Biegung.
    Heilfroh, nicht mehr heimlich einen Leichenwagen durch die Gegend zu kutschieren, stieg Yapp in den alten Vauxhall ein und fuhr den Weg, den er gekommen war, mit dem wenigstens geringfügig tröstlichen Gedanken zurück, daß er in zwei Stunden in seinem Apartment in Kloone sein würde und ein Bad nehmen könnte. Doch wie stets bei seinen Theorien strafte die Wirklichkeit auch diese Lügen. Eine Stunde später blieb der Vauxhall zwei Meilen hinter Wastely völlig unerwartet stehen. Yapp versuchte zweimal, den Motor wieder anzulassen, aber ohne Erfolg. Erst dann bemerkte er, daß ihm das Benzin ausgegangen war.
    »Scheiße«, zischte er mit einer Heftigkeit, die für ihn ungewöhnlich war. Dann stieg er aus.
    Inzwischen war Rosie Coppett in jenem Zustand geistiger Verunsicherung, in dem sie lebte, wenn ihr niemand sagte, was sie tun und denken sollte, von ihren Einkäufen zurückgekehrt. Seit Willys mysteriösem Verschwinden hatte sie sich auf Yapp verlassen, ihre täglichen Routinearbeiten erledigt und sich gesagt, daß der Professor, sobald es ihm wieder besserging, schon wissen würde, was wegen Willy zu unternehmen sei. Doch der Brief auf dem Tischchen in der Diele, der Scheck über dreihundert Pfund und vor allem das leere Zimmer brachten sie schließlich zu der Überzeugung, daß auch er sie im Stich gelassen hatte. Rosie nahm den Scheck und den Brief mit in die Küche und

Weitere Kostenlose Bücher