Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
ohne zuvor auch nur mit Vater darüber zu sprechen.«
Magnus verdrehte die Augen. »Diese Streitereien …«
Dann sagte er: »Caleb hat Recht. Ich werde heute Abend mit
Mutter sprechen und sehen, ob sie mich wissen lässt, was
Alysandra hier beim Herzog macht.«
Es klopfte unten an der Tür. Pasko bedeutete, dass er nachsehen würde, und die anderen schwiegen. »Wahrscheinlich
eine Einladung«, sagte Pasko, als er die Treppe hinunterging.
»Berühmtheit verschafft einem viele neue Freunde.« Tal
verzog das Gesicht. »Ich habe in den letzten vier Stunden ein
Dutzend Einladungen zum Abendessen erhalten.«
Pasko kehrte zurück und übergab Tal einen Brief. Er hatte
ein Siegel, das er noch nicht kannte, und Pasko verkündetet
»Von Lady Rowena von Taslin.«
Tal brach das Siegel und las. »Sie sagt, dass sie in zwei
Tagen zusammen mit dem Herzog aufbrechen und daher vielleicht keine Gelegenheit haben wird, mich zu sehen, also
möchte sie mir auf diese Weise mitteilen, dass Olasko noch
vor Ende des Sommers zur Hohen Feste ziehen wird.«
»Er will die Ostflanke seiner Armee sichern, wenn er Farinda erobert«, erklärte Caleb.
»Und das bedeutet, dass er im kommenden Frühjahr versuchen wird, das Land der Orodon zu erobern«, murmelte Tal.
Er warf noch einen Blick auf den Brief, dann sagte er zu den
Brüdern: »Zumindest sieht es so aus, als arbeitete Alysandra
noch für eure Mutter.«
»Offensichtlich«, erwiderte Caleb.
»Was willst du als Nächstes tun, Tal?«, fragte Magnus.
»Ich dachte, das würdest du mir sagen.«
Magnus lehnte sich auf seinen Stab. »Wir können nicht jeden einzelnen Schritt der Leute überwachen, die wir in die
Welt hinausschicken. Man hat dich nach Roldem gebracht,
damit du dir einen Namen machst und Zugang zu einflussreichen Positionen erhältst. Wir haben viele solche Leute im
Königreich und beinahe ebenso viele in Kesh, und mittlerweile platzieren wir unsere Agenten auch in den östlichen Königreichen. Aber wenn wir zu dem Schluss kommen, dass ein
Agent bereit ist, dann lassen wir ihn entscheiden, wie er unserer Sache am besten dient.«
»Ich könnte das besser, wenn ich mehr darüber wüsste, um
was es eigentlich geht, Magnus.«
Magnus hob die Hände, seine Lippen bewegten sich, und
für einen Augenblick glaubte Tal, dass es im Zimmer ein wenig dunkler wurde. »Innerhalb dieses Banns kann uns nun für
ein oder zwei Minuten niemand sehen.« Er ging zum Tisch
und setzte sich. »Tal, wir arbeiten für das Gute. Ich weiß, dass
du das schon vorher gehört hast, und viel von dem, was wir
dir angetan haben, scheint eher auf das Gegenteil hinzudeuten, aber es stimmt. Es gibt vieles, was ich dir immer noch
nicht sagen kann, aber da du nun diese Position in unserem
Dienst erreicht hast, solltest du tatsächlich ein wenig mehr
über unsere Arbeit erfahren. Es gibt einen Mann, der mit dem
Herzog von Olasko zusammenarbeitet. Dieser Mann ist nicht
mit ihm nach Roldem gekommen, aber das überrascht mich
nicht. Er verlässt Opardum dieser Tage nur selten. Es kann
sein, dass Mutter Alysandra nach Opardum geschickt hat, um
Kaspar zu beeinflussen, aber es ist wahrscheinlicher, dass sie
dort ist, um diesen Mann im Auge zu behalten. Er nennt sich
Leso Varen, aber das ist ebenso wenig sein wirklicher Name
wie ein Dutzend anderer; die er im Lauf der Jahre benutzt hat.
Mein Vater hat diesem Mann schon öfter gegenübergestanden. Er ist ein Magier von schrecklicher Macht und höchst
subtilen Fertigkeiten. Er mag verrückt sein, aber alles andere
als dumm. Er ist gefährlicher, als du dir je vorstellen könntest,
und er ist derjenige, der hinter Kaspars Ehrgeiz steckt.«
Caleb fügte hinzu: »Magnus übertreibt nicht, Tal. Der
Mann ist das Fleisch gewordene Böse.«
Magnus fuhr fort: »Das zumindest solltest du wissen. Wir,
die meinen Eltern und den anderen dienen, die uns führen,
werden in unserem eigenen Leben keinen endgültigen Sieg
über unsere Feinde erringen, und selbst unsere Urenkel werden das nicht erleben dürfen. Wir arbeiten trotzdem weiter,
weil es nicht anders geht. Das Böse hat dabei einen Vorteil,
denn alle Arten von Chaos und Verwirrung nutzen ihm. Das
Böse kann sich damit begnügen zu zerstören und zu verwüsten, während wir erhalten und aufbauen müssen. Unsere Arbeit ist daher viel schwieriger.«
Caleb erklärte: »Nakor hat Magnus und mir einmal gesagt,
dass das Böse von Natur aus wahnsinnig ist, und wenn du
dich an die Vernichtung deines Dorfes erinnerst, wirst du zustimmen
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