Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
müssen.«
Tal nickte. »Dass Kaspar mein Volk nur wegen seines
Ehrgeizes umbringen konnte … du hast Recht, das ist Wahnsinn.«
»Also zurück zum Thema«, sagte Magnus. »Wir werden
das Böse niemals vollkommen besiegen können, aber wir arbeiten daran, es einzudämmen und so viele Unschuldige wie
möglich vor den Kräften zu schützen, die alles zerstört haben,
was du als Kind kanntest. Zu diesem Zweck beschließen wir
im Rat, was zu tun ist, aber jeder von uns spielt dabei eine
andere Rolle.«
»Und eines dieser Ziele besteht darin, Kaspar zu töten?«,
fragte Tal.
»Mag sein«, antwortete Caleb. »Es wird irgendwann beinahe
mit Sicherheit geschehen, aber im Augenblick müssen wir abwarten und sehen, ob wir Leso Varen isolieren können. Wenn
es uns irgendwie gelingt, ihn endgültig zu vernichten, werden
wir unsere Feinde damit um Jahrhunderte zurückwerfen.«
Tal sagte: »Du sprichst nun über Dinge, die ich mir nicht
einmal vorstellen kann, Caleb. In Jahrhunderten werde ich
nicht mehr hier sein.«
Magnus erklärte: »Das ist eine Gewohnheit, die wir von
jenen übernommen haben, die erheblich längere Lebensspannen haben. Nein, wir erwarten nicht, dass du alles verstehst,
Tal, aber wenn du dir vorstellen kannst, eines Tages Vater zu
sein, wird es vielleicht helfen, daran zu denken, dass alles,
was du jetzt tust, dazu beitragen wird, eine sichere Zukunft
für deine Kinder zu schaffen.«
Tal schwieg. Er war inzwischen seiner eigenen Geschichte
so entfremdet und derart in der Rolle von Tal Hawkins aufgegangen, dass der Gedanke an ein Privatleben, in dem er eines
Tages heiraten und Kinder haben könnte, fast keine Bedeutung mehr für ihn hatte. Dann jedoch erinnerte er sich an diese
berauschenden Wochen mit Alysandra, in denen er sich danach gesehnt hatte, für immer mit ihr zusammenbleiben zu
können. Das Mädchen mochte ihn belogen haben – aus welchem Grund auch immer –, und vielleicht hasste er sie sogar
dafür, aber seine eigenen Gefühle waren echt gewesen: Er
hatte sie heiraten und mit ihr Kinder haben wollen. Schließlich sagte er: »Ich verstehe.«
»Gut«, erwiderte Magnus. »Nun, hast du über Kaspars Angebot nachgedacht?«
Tal antwortete: »Ich kämpfe noch damit. Ich werde mit Sicherheit nach Opardum gehen und mir seine Vorschläge anhören, aber ich kann mir nicht vorstellen, in seinen Dienst zu
treten.«
»Es würde dich direkt ins Zentrum seiner Macht bringen,
Tal«, erwiderte Caleb. »Du könntest unserer Sache erheblich
helfen, wenn du dich bei Kaspar einschmeicheln und Zugang
zu Leso Varen erhalten würdest.«
»Ich bin Orosini«, sagte Tal. »Ich sehe vielleicht aus wie
ein Edelmann aus Roldem oder dem Königreich, aber ich bin
immer noch Orosini.« Er berührte seine Wangen. »Ich habe
keine Clantätowierungen, aber ich bin dennoch Orosini.«
Caleb schwieg, sah Tal nur an und wartete darauf, dass er
fortfuhr. Magnus zog die Brauen hoch, aber er schwieg ebenfalls.
»Wenn ich einen Eid leiste, Kaspar zu dienen, dann werde
ich mich auch daran halten müssen. Ich kann nichts Falsches
schwören. Es ist unmöglich. Ich kann nicht gleichzeitig dem
Konklave und Kaspar dienen. Ich verstehe, dass Alysandra
und andere dazu in der Lage sind, aber für mich ist das vollkommen unmöglich.« Er senkte die Stimme. »Ich mag der
Letzte meines Volkes sein, aber das ist nun einmal unsere Art,
und ich will nicht davon abweichen.«
»Dann darfst du es auch nicht tun«, erwiderte Caleb.
»Außerdem«, sagte Magnus, »wird Kaspar Möglichkeiten
haben herauszufinden, ob jemand lügt, wenn er einen Eid leistet. Leso Varen ist vielleicht nicht wirklich im Stande, deine
Gedanken zu lesen, aber ich nehme an, er wird sagen können,
wenn du lügst.«
»Nun«, fragte Caleb Tal, »was schlägst du stattdessen vor?«
»Ich habe Kaspar gesagt, dass ich nach Opardum kommen
werde, nachdem ich mich um eine Familienangelegenheit
gekümmert habe.«
»Was für eine Familienangelegenheit soll das denn sein?«,
fragte Magnus.
Mit einem tiefen Seufzer, als erlaube er etwas Gequältem,
Zornigem endlich, sich zu befreien, sagte Tal: »Rache.«
Der Mann fiel nach hinten und riss einen Tisch um. Die Leute
in der Nähe flüchteten, denn niemand wollte sich mit dem
offensichtlich zornigen jungen Mann einlassen, der sich über
die ächzende Gestalt beugte, die gerade gegen den Tisch gefallen war.
Der Angreifer war ein breitschultriger Mann Anfang zwanzig, glatt rasiert und mit klarem Blick. Sein langes Haar war
zusammengebunden
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