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Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1

Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1

Titel: Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Silberfalke
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hatte, als er noch ein Kind gewesen war, viele Frauen
am Badeteich nackt gesehen –, aber die Tatsache, nun so nah
bei einer jungen Frau zu sein, beunruhigte ihn. Und diese
Leute waren keine Orosini, sie waren Fremde, obwohl er nach
weiterem Nachdenken schnell zu dem Schluss kam, dass er derjenige war, der hier fremd war. Er kannte die hiesigen
Bräuche nicht, aber die Leute schienen freigiebig mit ihren
Körpern zu sein, bevor sie sich einander verpflichteten. Vielleicht gab es hier ja keine Ehen wie bei den Orosini.
Kendrick hatte, soweit Talon wusste, keine Frau. Leo war
mit der rundlichen Martha verheiratet, die sich um das Backen
kümmerte, aber die beiden stammten auch aus einem weit
entfernten Ort namens Ylith. Vielleicht lebten Männer und
Frauen hier in Latagore ja getrennt voneinander und trafen
sich nur … er schüttelte den Kopf, als sie das Tor zum Hof
erreicht hatten. Er wusste nicht, was er denken sollte. Er beschloss, darüber mit Robert zu sprechen, sobald sich eine Gelegenheit ergab.
Er bemerkte, dass Meggie auf der Veranda stand und auf
ihn wartete. »Füll die Fässer«, wies sie ihn an.
Leise sagte er: »Ich weiß, was zu tun ist.«
»Tatsächlich?«, entgegnete sie zu seiner Verwirrung.
Als sie sich umdrehte, um die Tür aufzuhalten, wartete er,
dann ging er an ihr vorbei. Als sie die Tür hinter ihm schloss,
stellte er die großen Wassereimer ab und sagte: »Meggie?«
»Was ist?«, fragte sie und wandte sich ihm mit nicht sonderlich freundlicher Miene zu.
»Warum kannst du mich nicht leiden?«
Die Offenheit der Frage schien sie zu verblüffen. Sie blieb
einen Moment sprachlos stehen, dann rauschte sie an ihm
vorbei, aber ihre Stimme klang eher sanft, als sie erwiderte:
»Wer behauptet denn, dass ich dich nicht leiden kann?«
Bevor er noch etwas sagen konnte, hatte sie die Küche schon
verlassen. Talon griff wieder nach den Eimern und trug sie zu
den Wasserfässern. Er verstand diese Leute wirklich nicht.
    Nach dem Essen machte sich Talon auf, um mit Robert zu
sprechen, der in einem Zimmer an der Rückseite des Gasthauses wohnte. Er wusste, dass er diesem Mann gegenüber eine
Lebensschuld hatte. Er wusste, wenn man ihn nicht aus dieser
Schuld entließ, würde er Robert de Lyes für den Rest seines
Lebens dienen müssen – oder bis er Robert seinerseits das
Leben retten konnte. Aber er war unsicher, was Roberts Pläne
für ihn anging. Er war lange Zeit von der Trauer um seine
Familie und sein Volk wie betäubt und dann von der Veränderung seines Lebens seit Mittsommer überwältigt gewesen,
aber nun, da es auf den Winter zuging, hatte er angefangen,
mehr über seine Zukunft nachzudenken und sich zu fragen,
worin wohl sein Schicksal bestehen würde, wenn es Frühling
und dann wieder Sommer wurde.
    Er zögerte vor der Tür; er hatte sich noch nie auf diese
Weise an Robert gewandt und wusste nicht einmal, ob das
erlaubt war. Er holte tief Luft, dann klopfte er leise.
»Herein.«
     
Langsam öffnete er die Tür und streckte den Kopf hinein.
»Könnte ich vielleicht mit Euch sprechen?«
    Roberts Zimmer enthielt nur vier Möbelstücke: ein Bett,
eine Truhe für die Kleidung, einen kleinen Tisch und einen
Hocker. Er saß auf dem Hocker vor dem Tisch und betrachtete einen größeren Gegenstand, der für Talon aussah wie mehrere Pergamente, die man zusammengebunden hatte. Daneben
stand eine Kerze, die das einzige Licht im Zimmer spendete.
Ein Wasserbecken und ein Krug wiesen darauf hin, wozu der
Tisch diente, wenn Robert ihn nicht für seine Arbeit brauchte.
»Komm herein und mach die Tür zu.«
    Das tat Talon, und dann stand er verlegen vor Robert. »Ist
es gestattet?«, fragte er schließlich.
»Ist was gestattet?«
»Dass ich Euch eine Frage stelle.«
Robert lächelte. »Na endlich! Es ist nicht nur gestattet, ich
freue mich sogar darüber. Um was geht es?«
»Um vieles, Herr.«
Robert zog die Brauen hoch. »Herr?«
»Ich weiß nicht, wie ich Euch sonst ansprechen sollte, und
alle sagen, Ihr wärt mein Herr.«
Robert deutete aufs Bett. »Setz dich.«
Talon tat wie geheißen.
»Also gut. Es mag angemessen sein, mich mit ›Herr‹ anzusprechen, wenn andere anwesend sind, aber wenn wir allein
sind oder nur Pasko dabei ist, kannst du mich einfach Robert
nennen. Verstanden?«
»Ich verstehe, dass ich das tun soll. Ich verstehe allerdings
nicht, warum.«
Robert lächelte. »Dein Geist ist ebenso scharf wie dein
Blick, Talon Silverhawk. Nun, was bringt dich zu

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