Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
leise. »Ununterbrochen.«
»Nakor … du hast doch nicht …«
»Was?«
»Als ich dein Schüler war, hast du doch nicht etwa … Helena … sie war keine von deinen Leuten, oder?«
»Nein«, sagte Nakor, und seine Miene wurde sanfter. Er
legte die Hand auf Magnus’ Arm und fügte hinzu: »Diese
unangenehme Lektion hast du dir selbst ausgesucht. Manchmal ist das Leben eben so.« Dann wandte er die Aufmerksamkeit wieder den drei Jungen zu, als das neue Rennen begann und Demetrius und Talon alles gaben, was sie konnten,
während Rondar ihnen Beleidigungen zubrüllte.
Als Nakor Magnus wieder ansah, stellte er fest, dass der
Magier in Gedanken versunken war. Er hatte eine gewisse
Ahnung, um was es dabei ging, und er sagte: »Du hättest dir
längst eine andere suchen sollen, Magnus.«
Magnus schaute seinen ehemaligen Lehrer an. »Es gibt
Wunden, die niemals heilen. Man verbindet sie einfach nur
und macht weiter.«
Nakor nickte. »Ich weiß, Magnus.«
Magnus lächelte. Er wusste, dass Nakor ihn verstand, denn
er war einmal mit Magnus’ Großmutter verheiratet gewesen
und hatte sie bis zu dem Augenblick geliebt, als er gezwungen
gewesen war, sie zu töten.
Magnus holte tief Luft. »Also gut. Wann fangen wir an?«
»Am besten gleich heute Abend«, erwiderte Nakor.
Magnus sagte: »Dann sollte ich lieber gleich mit dem
Mädchen reden«, und ging.
Nakor rief ihm hinterher: »Sag ihr einfach nur, um was es
geht. Sie wird schon wissen, wie sie es machen soll.«
Als er sich wieder umdrehte, sah er gerade noch, wie Talon
knapp vor Demetrius das Ziel erreichte. Die beiden jungen
Männer johlten laut, als sie vor Rondar die Pferde zügelten.
Nakor dachte darüber nach, dass junge Leute häufig in der
Lage waren, die Freuden des Augenblicks zu genießen, ohne
viel über die Sorgen des nächsten Tages nachzudenken – und
auch nicht über die Vergangenheit mit all ihrem Bedauern und
den Schuldgefühlen. Leise sagte Nakor: »Genieße diesen Augenblick, Talon.«
Dann drehte er sich mit einem Seufzer um und ging auf
Pugs Haus zu. Sie hatten viel zu besprechen, und vieles davon
würde unangenehm sein.
Talon rieb sich das Haar mit einem kratzigen Handtuch trocken. Er badete gern, obwohl Baden kein regelmäßiger Bestandteil seiner Kindheit gewesen war. Die Orosini mussten
das Wasser zum Baden heizen, denn die Flüsse waren das
ganze Jahr über kalt vom Schmelzwasser aus den Bergen, und
nur in den heißen Sommermonaten konnte man in den Seen
und Flüssen schwimmen. Im Winter schwitzten sie in zu diesem Zweck errichteten Hütten und kratzten den Dreck mit
Schabern von der Haut.
Talon hatte Baden in diesem Stil erst in Kendricks Gasthaus kennen gelernt, aber dort hatte er eine Wanne benutzen
müssen, und das häufig, nachdem schon andere sie benutzt
hatten, sodass es ihm oft vorgekommen war, als würde er nur
seinen eigenen Dreck gegen den von anderen tauschen. Aber
Villa Beata hatte wunderbare Bäder. Es gab drei miteinander
verbundene Räume mit einem kalten, einem warmen und einem heißen Becken, das viele Leute täglich benutzten. Und in
jedem Flügel von Pugs Anwesen gab es Räume mit kleineren
Wannen.
Wenn er schwer gearbeitet hatte, wusch er sich gerne den
Dreck ab und zog frische Sachen an. Und jeden Tag gab es
frische Sachen in seiner Kleidertruhe. Er wusste, dass andere
Schüler in der Wäscherei arbeiteten, aber es kam ihm immer
noch vor wie Magie. Er ließ seine schmutzigen Sachen in einem Korb vor der Zimmertür, und wenn er von seinem Unterricht oder den Übungen zurückkehrte, wartete schon saubere
Kleidung auf ihn.
Als er sich das Gesicht abtrocknete, spürte er die Stoppeln
an seinem Kinn. Er hatte vor einem Jahr angefangen, sich zu
rasieren, wie es Magnus tat, obwohl es bei den Orosini Sitte
war, sich die Haare einzeln auszuzupfen. Talon war zu dem
Schluss gekommen, dass er ein scharfes Rasiermesser eindeutig vorzog.
Er holte gerade das Rasiermesser hervor, als Rondar und
Demetrius vom Baden kamen. »Was habt ihr nach dem
Abendessen vor?«, fragte er und seifte sich das Gesicht ein.
Rondar warf sich aufs Bett, nur in ein Handtuch gekleidet,
und grunzte etwas Vages. Demetrius sagte: »Ich habe heute
Abend Küchendienst, also werde ich servieren und hinterher
Geschirrspülen. Und du?«
»Ich habe frei«, antwortete Talon und fing mit dem Rasieren an. »Ich dachte, wir könnten in der Grube unten am See
ein Feuer anzünden und sehen, wer vorbeikommt.«
»Es wird helfen, wenn du
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