Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
der besten Esslokale in Olasko. Es war vor etwa sechs Monaten eröffnet worden, also hatte Kaspar noch nie hier gegessen, aber ihm war nach einer guten Mahlzeit zumute. Kaspar war ein Feinschmecker und hatte seit seiner Gefangennahme keine wirklich guten Speisen mehr bekommen. Falls seine Zeit begrenzt war, würde er in den letzten paar Tagen zumindest gut leben. Außerdem war er inzwischen überzeugt, dass ihn niemand erkennen würde.
Die Besitzer waren ein junges Paar aus dem Königreich, ein Koch und seine Frau, und ihr Haus war ein beliebter Treffpunkt der reichen Bürger und des niederen Adels. Das Gebäude hatte zuvor zum Besitz eines Adligen gehört, den Kaspars Vater ruiniert hatte. Danach hatte es mehrmals den Besitzer gewechselt, und zuletzt war es eine Art Gasthaus gewesen, mit einem Bordell im oberen Stockwerk. Nun war es vollkommen renoviert worden und servierte Mittag-und Abendessen nach der Mode, die man aus Bas-Tyra übernommen hatte. Es hatte weder Theke noch Schankraum, war kein Gasthaus und keine Taverne.
Die Besitzer bezeichneten es in der Sprache von Bas-Tyra als Restaurant. In jener Provinz des Königreichs der Inseln waren solche Einrichtungen so beliebt geworden, dass ähnliche Häuser nun auch überall in den größeren Städten der Region auftauchten.
Ein Restaurant war der perfekte Ort, um zu speisen, wenn man in seinem eigenen Haus keine Gäste unterhalten konnte oder einem die Mittel fehlten, einen Koch unter seinen Bediensteten zu haben.
Der Raum war überfüllt. Wenn die Menge, die an diesem Abend hier essen wollte, einen Hinweis bot, dann würden die Speisen ihrem Ruf wohl gerecht werden. Kaspar war gezwungen gewesen, dem Geschäftsführer eine größere Summe zuzustecken, damit dieser für ihn einen kleinen Tisch in der Ecke fand, und auch das war nur möglich gewesen, weil es noch früh am Abend war.
Der Eckplatz passte Kaspar gut, denn von hier aus konnte er hervorragend beobachten, wer kam und ging. Er entdeckte mehrere vertraute Gesichter in der Menge, keine Personen, die er gut kannte, aber reiche Bürger und Angehörige des niederen Adels von seinem Hof. Er fand es amüsant, dass keiner von ihnen ihn auch nur bemerkte. Er begann seine Mahlzeit langsam mit einem gekühlten Weißwein aus dem Königreich zu Schalentieren und rohen Garnelen.
Das Essen war großartig.
Während er aß, sah Kaspar immer mehr vertraute Gesichter, aber niemand gönnte ihm einen zweiten Blick. Wieder hatte er etwas über das Wesen der Menschen gelernt: Die Leute erkannten einander außerhalb des vertrauten Umfelds nicht, es sei denn, sie waren sehr vertraut miteinander. Niemand hätte auch nur einen Augenblick in Betracht gezogen, dass der Mann in der Ecke vielleicht ein dünnerer, sonnenverbrannter, gesünderer Kaspar von Olasko war, denn niemand erwartete, den ehemaligen Herzog in diesem Etablissement beim Essen zu sehen. Bestenfalls würde einer vielleicht sagen: »Heute Abend war im Haus am Fluss ein Mann, der dem alten Herzog erstaunlich ähnlich sah. Was haltet ihr davon?«
Die hübsche Frau, die ihn bediente, hieß Magary; sie war die Frau des Kochs und liebenswert, ohne kokett zu sein – eine willkommene Abwechslung zu den Kellnerinnen, denen er seit dem Beginn seines Exils begegnet war. Sie empfahl ihm mehrere Gerichte. Nach dem zweiten Gang war Kaspar entschlossen, alles, was sie empfahl, zumindest einmal zu probieren, selbst wenn er nicht alles aufessen konnte, denn der Geschmack war wirklich erstaunlich.
Die andere Frau, die die Kunden bediente, war eine königlich wirkende Person mit rötlich blondem Haar, die schön gewesen wäre, hätte sie nicht eine so distanzierte Haltung gehabt. Sie lächelte, aber es lag wenig Wärme darin.
Kaspar probierte gerade ein neues Gericht aus –
frisches Blattgemüse mit einem Essig- und Obstkompott an der Seite, beträufelt mit Zitronensaft und Gewürzen. Die knusprige Struktur war ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber der Geschmack war wunderbar. Magary goss Kaspar einen anderen Weißwein ein und sagte: »Die säuerliche Soße verträgt sich mit den meisten Weinen nicht, aber Ihr werdet feststellen, dass dieser hier gut dazu passt.«
Das tat er wirklich, und Kaspar machte ihr ein Kompliment für diese Auswahl und begann mit dem nächsten Gang, einem gefüllten Täubchen mit Gewürzen und einer Soße, die ihn wünschen ließ, dieses Haus nie wieder verlassen zu müssen.
Als er mit dem Vogel fertig war, sah Kaspar, wie Amafi den Raum betrat
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