Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
nicht mehr ihm gehörte und dass dies schon lange vor seiner Ankunft in diesem Land der Fall gewesen war.
Er war nun sicher, dass Leso Varen, sein »Berater«, Magie eingesetzt hatte, um ihn weit über seine normalen ehrgeizigen Neigungen hinaus zu manipulieren. Kaspar hatte in aller Ruhe hinter seinem Schreibtisch in seinen Privatgemächern gesessen und die Vernichtung ganzer Völker angeordnet, als Teil eines fehlgeleiteten und grausamen Plans, das Königreich der Inseln über seine Pläne in die Irre zu führen. Tausende waren gestorben, damit er die Aufmerksamkeit der Staaten an der See des Königreichs von seinem wahren Ziel, dem Thron von Roldem, ablenken konnte.
Es war ihm damals so einfach vorgekommen. Nur sieben Personen mussten sterben, und die trauernde Bevölkerung von Roldem hätte ihren Blick nach Norden gerichtet und Kaspar, Herzog von Olasko, als ihren Herrscher willkommen geheißen. Was hatte er sich nur gedacht! Dann wurde ihm klar, dass er überhaupt nicht gedacht hatte – er hatte nur getan, was Leso Varen ihm zu tun erlaubte.
Er wusste nicht, was ihn wütender machte, dass er den Magier so leicht in sein Haus gelassen oder dass er den Wahnsinn nicht erkannt hatte, den der Magier bewirkte. Als er nun auf dem gischtnassen Deck eines fremden Schiffes in einem weit entfernten Land stand, konnte Kaspar leicht ein Dutzend Gründe angeben, wieso jeder einzelne von Varens Plänen verrückt gewesen war. Das einzige Ergebnis seines Versuchs, die Macht zu ergreifen, wären Krieg und Chaos gewesen. Kaspar begriff, dass dies von Anfang an der Plan des Magiers gewesen sein musste; aus Gründen, die der ehemalige Herzog wohl nie verstehen würde, hatte Leso Varen die Königreiche des Ostens, das Königreich der Inseln und vielleicht sogar Groß-Kesh in einen Krieg stürzen wollen.
Kaspar konnte sich niemanden vorstellen, dem das nützen könnte. Es gab Zeiten, da es zum Vorteil eines Landes war, die benachbarten Nationen miteinander in Konflikte zu verstricken. Er hatte im Lauf der Jahre mehrmals solche Situationen erlebt, aber das waren nur Grenzscharmützel gewesen, politische Intrigen oder diplomatischer Verrat, kein wirklicher Krieg, der die drei mächtigsten Nationen der nördlichen Hemisphäre erfasste. Diese Länder aus dem Gleichgewicht zu bringen war gefährlich; es würde nicht viel brauchen, dass ein Krieg zwischen Kesh und den Inseln sich auch über die Grenzen zu den östlichen Reichen ausbreitete.
Und er hatte gesehen, was dabei herausgekommen war, diese drei Nationen in seine Intrige zu verstricken: Statt die Region aus dem Gleichgewicht zu bringen, hatten seine fehlgeschlagenen Pläne alle überzeugt, ihre Anstrengungen zu vereinen, und das wiederum hatte sich für Kaspar katastrophal ausgewirkt. Seine Hauptstadt war an einem einzigen Tag überrannt worden! Selbst wenn Talwin Hawkins die Geheimgänge in die Zitadelle nicht entdeckt hätte –
und verflucht sollte der Ahne sein, der behauptet hatte, die Zitadelle sei uneinnehmbar! –, hätten die vereinten Anstrengungen von Roldem und Kesh dennoch innerhalb eines Monats seine Festung dem Erdboden gleichgemacht. Und mehr noch, wäre die Armee des Königreichs der Inseln ebenfalls eingetroffen, dann hätte das die Einnahme von Opardum drastisch verkürzt.
Nein, das ganze Bild ergab keinen Sinn. Es war ebenso verrückt wie dieser verfluchte Geis. Mehr als alles andere betete Kaspar darum, dass ihm jemand, falls er diese Prüfung überleben sollte, alles erklären würde.
Einer der Soldaten, die sie eskortierten, sagte:
»Wir werden bei Sonnenuntergang beidrehen. Der Kapitän sagt, es wäre das Beste, wenn wir die Nacht noch an Bord verbringen und morgen früh aufbrechen.«
Die drei Männer kehrten in ihre Kabine zurück, alle in ihre eigenen Gedanken vertieft, bis man sie zu einer ruhigen Mahlzeit mit dem Kapitän rief.
Am Morgen brauchte es beinahe eine Stunde, den Aufbruch zu organisieren und den Sarg an Land zu hieven. Es war Flut, und die Brecher waren gnadenlos, aber schließlich fanden sich Kaspar und seine Begleiter an Land wieder, zusammen mit ihrer Fracht, einer Eskorte von dreißig Soldaten aus Maharta und dem zugehörigen Offizier.
Der junge Leutnant, ein Mann namens Shegana, inspizierte den Sarg und die Schlingen, die angebracht worden waren, damit vier Männer die Last tragen konnten. Er war offensichtlich alles andere als versessen auf diesen Auftrag und hatte das nicht vor Kaspar verborgen, sobald sie an Bord gewesen
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