Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
lange vor den Menschen.
Einige von diesem langlebigen Volk leben nach wie vor im Norden, obwohl sie immer weniger werden.
Sie werden viele Jahrhunderte alt, bis sie schließlich der Sterblichkeit erliegen. Auch Drachen waren vor unserem Volk hier, ebenso wie ihre Herren.«
»Die Drachenlords«, warf Flynn ein. Dann warf er den anderen einen triumphierenden Blick zu. »Habe ich Euch das nicht gleich gesagt?«
»Ja, das behaupten die alten Texte zumindest«, fuhr Ramal fort, »obwohl wir von diesen Wesen sehr wenig wissen. Die Überlieferung der Eiben erwähnt sie nicht, und man glaubt, dass nur wenige Informationen über sie die Chaoskriege überlebt haben. Irgendwo gibt es vielleicht Personen, die mehr darüber wissen, aber wir kennen sie nicht.«
Flynn sagte: »Wir wollten das Relikt nach Stardock bringen, zur Akademie der Magier. Vielleicht…«
Vater Vagasha hob die Hand. »Wir wissen einiges über diese… diese Organisation. Unsere Tempel haben Magier lange als verdächtig betrachtet. Viele von ihnen spielen mit Wissen und Macht, ohne ein angemessenes Gefühl für den Kontext zu haben. Magier haben versucht, Wissen zu benutzen, das eindeutig bösen Zwecken dient – sie betätigen sich als Nekromanten oder kommunizieren mit dunklen Geistern, und zwar zu ihrem persönlichen Nutzen. Selbst eine Gruppe, die sich dem Dienst am Wissen verschrieben hat, wie die Akademie in Stardock, hat sich als zu gefährlich erwiesen, als dass man ihr ein solches Ding, wie Ihr es besitzt, anvertrauen könnte.«
Er blickte Vater Jaliel an, der einen Schritt nach vorn machte.
»Das gerüstete Artefakt hat keinen Platz in unserer Welt. Es kommt von einem anderen Ort.«
Kaspar lehnte sich zurück. Das hatte er nicht erwartet. »Es ist kein Relikt aus der Zeit der Drachenlords?«
»Nein, es stammt nicht einmal von Midkemia.«
»Ist es ein Tsurani-Artefakt?«, fragte Flynn.
»Nein«, antwortete Jaliel. »Während des Spaltkriegs sind die Tsurani nie bis an unser Ufer vorgedrungen. Wir haben erst Jahre später von diesem Krieg erfahren.«
»Was ist es also?«, fragte Flynn.
»Das wissen wir nicht genau«, erwiderte Jaliel.
»Wir haben viele Möglichkeiten ausgeschlossen, was uns einen guten Schritt weitergebracht hat, aber ich fürchte, wir haben die Grenzen unserer Weisheit und unseres Wissens erreicht.«
Kaspar sagte: »Dann sollten wir also trotz Eures Misstrauens nach Stardock weiterziehen und die Magier konsultieren.«
»Es gibt eine andere Möglichkeit. Wir sind der Ansicht, dass Bruder Anshu Euch den Weg dorthin gezeigt hat. Wir sind zwar ein Orden, der für Lehre und Weisheit bekannt ist, aber andere wie der Orden von Geshen-Amat sind bekannt für gelegentliche plötzliche Einsichten und intuitive Sprünge, die wir nicht nachvollziehen können. Es gibt tatsächlich eine mögliche Antwort, die im Westen liegt.«
Kaspar setzte sich aufrecht hin, denn ihm fiel ein, was Bek ihnen erzählt hatte, als er ihnen die Landkarte zeigte. »Der Pavillon der Götter?«
Die vier Priester sahen einander an, und der auserwählte Vater Vagasha fragte: »Ihr wisst vom Pavillon?«
»Ein Wirt in Shamsha hat uns eine Landkarte gegeben. Sie befindet sich in unseren Gemächern. Dort ist ein solcher Ort in den Bergen im Westen verzeichnet; darüber hinaus wissen wir wenig.«
Vagasha sah Ramal an. »Es gibt so viele wunderbare Dinge in den Ratn’gary-Bergen. Vieles davon ist nicht für sterbliche Augen gedacht. Am Fuß der beiden höchsten Gipfel, der Säulen des Himmels, steht die Stadt der toten Götter. Es ist nicht bekannt, wer diese Tempel errichtet hat, aber die Gebäude haben bis in unsere Tage überlebt. Es heißt, dass auf den Gipfeln die lebendigen Götter oder ihre Avatare residieren, und nur die begabtesten Sterblichen können einen flüchtigen Blick auf sie erhaschen. Unterhalb des Gipfels und oberhalb der Nekropolis liegt eine Bastion. Dort leben die Hüter.«
»Die Hüter des Tores«, sagte Vagasha. »Menschen, die einer Sekte angehören, die beinahe keinen Umgang mit anderen Menschen hat, nicht einmal mit unseren Tempeln, und man sagt, sie seien die Hüter des Wegs zu den Göttern. Es heißt auch, dass ein Mensch, der von großer Not getrieben wird und entschlossen genug ist, seinen Weg zu den Hütern finden kann, und wenn sie ihn für würdig halten, lassen sie ihn weiterziehen, damit er seine Bitte den Göttern vortragen kann.«
»Stimmt das?«, fragte Kenner.
Der auserwählte Vater Vagasha lächelte bedauernd.
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