Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
obwohl es Grenzen gab, was wir ihnen
auferlegen und von ihnen verlangen konnten. Und du
hast weder mich noch deine Mutter um Rat gebeten, als
du dich entschieden hast, Marie zu heiraten und die Jungen in unsere Familie zu bringen.«
Caleb nickte. »Das stimmt.«
»Ich würde dir niemals vorschreiben, wo du dein
Glück finden sollst, Caleb. Das kann niemand tun. Mir ist
klar, dass dein Leben in vielerlei Hinsicht schwerer war
als das von Magnus. Du warst immer der Außenseiter,
der, der nicht über Magie verfügte. Das verstehe ich.
Aber deine Entscheidung hat zwei Jungen in eine Situation gebracht, die sie kaum verstehen. Es ist deine Pflicht
als ihr Stiefvater, ihnen beizubringen, was es bedeutet, zu
dieser Familie zu gehören.« Pug schaute einen Augenblick ins Dunkel hinaus. »Ich war zwei Jahre in einem
Arbeitslager der Tsurani gefangen, und Tomas hat neben
den Zwergen in den Grauen Türmen gekämpft, als wir so
alt waren wie Tad und Zane. Vielleicht war es Schicksal«, sagte Pug und schaute seinem Sohn in die Augen.
»Aber ob es nun Schicksal ist, Zufall oder eine Laune, sie
gehören jetzt dazu, und du musst ihnen beibringen, was
das bedeutet.«
»Marie wird nicht glücklich darüber sein.«
»Ich weiß, aber wir werden tun, was wir können, damit sie sich in unserer Familie wohl fühlt.« Pug lächelte.
»Glaubst du, sie ist wirklich bereit für das, was sie auf
der Insel des Zauberers sehen wird?«
Caleb sagte: »Sie ist eine ziemlich vernünftige Person;
ich glaube, sie wird damit zurechtkommen.« Als sie sich
bereits wieder dem Marktplatz und den Feiernden zugewandt hatten, fügte er hinzu: »Aber es könnte klug sein
zu verhindern, dass sie sich zu sehr mit den Schwestern
aus Pithirendar anfreundet, bevor sie Gelegenheit hatte,
sich einzugewöhnen. Es gibt ein paar Dinge, die eine
Mutter nicht über ihre Söhne herauszufinden braucht.«
Pug nickte. »Du meinst wie damals, als deine Mutter
sich plötzlich in dieses Bordell in Salador transportierte,
weil sie dich suchte?«
Caleb lachte. »Das ist genau, was ich meine. Ich weiß
nicht, wer sich mehr aufgeregt hat, Mutter, ich oder die
Hure.«
Pug tätschelte die Schulter seines Sohns. »Ich würde
auf deine Mutter setzen.«
»Da hättest du wahrscheinlich Recht.«
Sie kehrten zum Fest zurück, und Caleb ging zu seiner
Braut. Tiefe Traurigkeit befiel ihn, als er daran dachte,
wie er ihr beibringen sollte, dass er und ihrer beider Söhne schon bald aufbrechen würden.
Neun
Kesh
Tal gab sich geduldig.
Petro Amafi stand rechts von seinem Herrn und spielte
wieder einmal die Rolle des getreuen Kammerdieners für
Tals gelangweilten Adligen aus dem Königreich. Weit in
der Ferne konnte er Kaspar sehen, der sich nun als Andre
Comte du Bassillon vom Hof des Herzogs von Bas-Tyra
ausgab.
Wie alle Adligen, die in Groß-Kesh eintrafen, verpflichtete ihn seine Ehre, sich beim kaiserlichen Hof vorzustellen. Kaiser Diigai hatte selbstverständlich zu viel
zu tun, um sie persönlich zu empfangen: Kaspar, nun ein
unwichtiger Würdenträger, trotz aller Schreiben des Königs der Inseln, die ihn als Handelsbotschafter mit absoluter Vollmacht auswiesen, und Talwin Hawkins, von
niederem Adel und Sieger des Turniers der Meister in
Roldem, hatten einfach nicht genügend Rang, als dass
man ihnen gestattet hätte, die Zeit des alten Kaisers zu
verschwenden.
Sie würden stattdessen von einem unwichtigeren
Würdenträger begrüßt werden, der jedoch hochrangig
genug war, um die Besucher nicht zu beleidigen. Wie
Kaspar Talwin erklärt hatte, bevor sie gemeinsam aus
Roldem aufgebrochen waren, mochte sich Roldem zwar
für das kulturelle Zentrum der See des Königreichs halten, aber Kesh betrachtete sich praktisch als Mittelpunkt
der bekannten Welt, und das war nicht vollkommen ungerechtfertigt.
Es war historisch gesehen die mächtigste Nation auf
Midkemia, und nur die ununterbrochenen Probleme damit, die südlichen Vasallenstaaten, die so genannte
»Konföderation von Kesh«, unter Kontrolle zu halten,
verhinderten, dass das Kaiserreich seine Grenzen noch
weiter ausdehnte. Vor zweihundert Jahren hatte eine Revolte im Süden der nördlichen Provinz Bosania, nun aufgeteilt in das Herzogtum von Crydee und die Freien
Städte von Natal, und in der Inselprovinz von Queg es
ermöglicht, sich vom Kaiserreich loszusagen.
Derzeit hatte sich die Marine von Roldem mit der großen östlichen Flotte des Königreichs der Inseln zusammengetan und
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