Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
Künsten eingesetzt wurde.
Nun sprach Martuch. »In einem Moment wird der
Übergang beginnen. Es wird anders sein als alles, was
Ihr je erfahren habt. Ich habe diese Veränderung ein
Dutzend Mal durchgeführt und schwöre jedes Mal,
dass es das letzte Mal sein wird. Seid Ihr bereit?«
Pug hatte seine Arme mit Nakor verschränkt, der
seinerseits mit Bek verbunden war. Magnus stand an
der anderen Seite seines Vaters, den einen Arm durch
Pugs gezogen und den anderen durch den von Martuch. Martuch hatte sie gewarnt, dass sie einen Bereich durchqueren würden, den er als »das Graue«
bezeichnete, und dass all ihre Sinne verwirrt sein
würden. Es dauere nicht lange, aber es fühle sich an,
als habe die Zeit aufgehört zu existieren.
Der Ipiliac-Zauberer, der gerufen worden war, um
diesen Übergang zu beaufsichtigen, hatte Pug, Nakor
und Magnus ebenfalls genauestens informiert, was
zu erwarten war. Bek machte sich keine Sorgen und
ignorierte die Warnungen. Er schien aufgeregt zu
sein, endlich an »den nächsten Ort« zu gelangen.
Pug holte tief Luft und sagte: »Wir sind bereit.«
Martuch nickte dem Zauberer zu, und dieser hob
den Stab über den Kopf zur letzten Beschwörung eines Banns, mit dem er vor beinahe einer Stunde begonnen hatte.
Plötzlich verschwand der Raum, in dem sie sich
befanden. Pug versuchte, die Luft anzuhalten, weil er
wusste, dass es hier keine gab, denn er erkannte diesen Ort! Er war wieder an dem Ort dazwischen!
Dorthin hatte Macros der Schwarze ihn gebracht, als
er den ersten Spalt der Tsurani schloss, am Ende des
Spaltkriegs. Er wusste genau, weshalb Martuch ihn
gewarnt hatte. Pug streckte seine Gedanken aus und
schützte rasch seine Gefährten, wie Macros ihn geschützt hatte.
Vater, erklangen Magnus’ Gedanken. Wo sind wir?
Wir sind in dem Raum zwischen Momenten, mein
Sohn. Wir sind in dem Stoff, aus dem das Universum
gemacht wurde, zwischen diesen Strähnen, die Nakor
als ›Stoff‹ bezeichnet, in der Leere selbst.
»Wir können normal sprechen«, sagte Nakor.
»Auch wenn ich nichts sehen kann.«
Pug und die anderen erschienen plötzlich, und
Martuch sagte: »Wie …«
»Ich war schon einmal hier«, sagte Pug. Er wandte
sich Magnus zu. »Ich wurde von deinem Großvater
hergebracht. Dies ist das Reich der Leere, in dem die
Götter in den Chaoskriegen kämpften.«
»Es hat nie so lange gedauert«, sagte Martuch.
»Vielleicht, weil wir zu fünft sind«, spekulierte
Bek, offensichtlich fasziniert von dem völligen Mangel an Bezugspunkten. Die Leere war ein riesiges
Nichts: kein Licht, kein Geräusch, kein Gefühl.
»Ich danke Euch, Pug«, sagte Martuch. »Dieser
Durchgang war immer kalt und schmerzhaft.«
»Es wird nicht angenehm sein, wenn wir eintreffen«, erwiderte der Magier. Wie zum Beweis seiner
Worte war der Übergang zur zweiten Ebene der Realität schmerzhaft. Es fühlte sich an, als würde jeder
Partikel von Geist und Körper zerrissen. Als Pug sich
in die Dasati-Welt gezogen fühlte, flackerte etwas an
seinem Gesichtsfeld vorbei. Er versuchte, der Bewegung zu folgen, aber er wurde körperlich aus der
Leere gerissen, und plötzlich stand er auf einem
Steinboden in einem Raum aus schwarzem Stein. Er
befand sich auf Kosridi.
Schmerzen zuckten durch jeden Nerv seines Körpers,
weshalb Pug einfach nur dastand und keuchte, als
wäre er ein langes Rennen gelaufen. Alle waren da
und hielten einander immer noch an den Armen wie
auf Delecordia.
Pug taumelte ein wenig, als er Nakor und Magnus
losließ. »Da war …«, begann er.
»Was?«, fragte Nakor ungewöhnlich besorgt.
»Etwas …«, sagte Pug. »Ich werde später darüber
sprechen.«
Er wandte sich seiner Umgebung zu und musste
mehrmals blinzeln, als stimme etwas mit seinen Augen nicht. Dann wurde ihm klar, dass er noch mehr
als auf Delecordia Dinge sah, die ein menschlicher
Geist nicht gewohnt war zu sehen: Schattierungen
von Farbe und pulsierende Energien waren überall.
Der Raum, in dem sie gelandet waren, bestand aus
dem schwarzen Stein, den sie schon auf Delecordia
gesehen hatten, aber hier ließ jede Veränderung ihn
vor Farben schimmern. Die Auswirkung war beinahe
überwältigend.
Dann erkannte er, dass sie nicht allein waren. Zwei
Gestalten warteten in dem Raum, ein Mann und eine
Frau. Majestätisch war das einzige Wort, das Pug
einfiel, um die Frau zu beschreiben. Ihre hohe Stirn
und ihre gerade Nase ließen sie trotz der fremdartigen Züge verblüffend schön aussehen.
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