Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
…«
»Wenn Ihr Euch auf den Boden setzt und zu mir
aufblickt, erinnert Ihr Euch vielleicht«, erwiderte
Kaspar. Er trank einen Schluck. Das Bier war, wie er
es in Erinnerung hatte, dünn und nicht sonderlich zu
empfehlen, aber kühl und feucht.
»Ah«, sagte Sagrin. »Ihr seid der Kerl, der mit Jojanna und ihrem Jungen kam. Seid dieser Tage ein
bisschen besser angezogen.«
»Genau«, erwiderte Kaspar. »Sind sie in der Gegend?«
Sagrin zuckte die Achseln. »Hab Jojanna seit über
einem Jahr nicht mehr gesehen.« Er beugte sich vor.
»Der Junge rannte davon, und sie ist beinahe durchgedreht und hat sich auf die Suche nach ihm gemacht. Hat ihr Vieh und das Maultier an Kelpita verkauft und dann einen Händler gefunden, der nach
Süden zog – er sagte, er nimmt sie gegen eine Gebühr mit.« Sagrin zuckte die Achseln, aber sein Tonfall klang bedauernd. »Sie ist wahrscheinlich einen
Tag südlich von hier unter ein paar Steinen begraben.«
»Jörgen ist davongerannt?«, fragte Kaspar. Er
kannte Jojanna und ihren Sohn gut genug, um zu
wissen, dass der Junge seiner Mutter sehr ergeben
war, und er konnte sich keinen Grund vorstellen,
wieso er von zu Hause wegrennen sollte.
»Eine Anwerbemannschaft kam vorbei, und Jörgen erfuhr, dass sein Vater bei einer Kompanie Soldaten in Higara dient – sieht so aus, als wäre Bandamin gefangen genommen worden von einer Kompanie von … na ja, sie sind Sklavenjäger, egal, wie sie
sich nennen, aber da sie die, die sie gefangen genommen haben, an die Armee von Muboya verkauften, nannten sie sich ›Anwerber‹.«
Kaspar erinnerte sich an ein relativ angenehmes
Essen mit dem General einer Brigade, der ein Vetter
des Radschas von Muboya war. Wenn Kaspar Bandamin finden konnte, könnte er … was? In die Wege
leiten, dass er entlassen wurde?
»Wie verläuft der Krieg?«, fragte Kaspar.
»Ich hörte vor einiger Zeit, dass Muboya Sasbataba zum Aufgeben gezwungen hat und nun gegen einen Banditenlord namens Okanala um die Herrschaft
über das nächste Stück Land kämpft, das er haben
will. Man muss es diesem jungen Radscha lassen:
Wenn seine Armee wieder abzieht, ist das Land, das
sie zurücklassen, beinahe so ruhig wie vor dem Krieg
der Smaragdkönigin. Ich wünschte beinahe, er würde
ein paar von seinen Jungs vorbeischicken, um die
Dinge zwischen hier und den Heißen Landen ein wenig zu beruhigen.« Er sah, dass Kaspars Krug leer
war, und fragte: »Noch eins?«
Kaspar schob sich vom Tresen weg. »Später. Lasst
mich erst mein Pferd füttern und dafür sorgen, dass
es genug Wasser hat.«
»Bleibt Ihr?«
Kaspar nickte. »Ich brauche ein Zimmer.«
»Sucht Euch eins aus«, sagte Sagrin. »Ich habe
Lammbraten auf dem Spieß, und das Brot wurde gestern frisch gebacken.«
»Das wird genügen«, erwiderte Kaspar und verließ
den Schankraum.
Draußen war die Nachtluft kühl; in diesem Land
herrschte Winter, aber er war weit genug im Norden
und nahe genug an den Heißen Landen, dass es nie
richtig kalt wurde. Er ging zum Stall, holte einen
Eimer, füllte ihn am Brunnen und vergewisserte sich,
dass der Trog voll war. Er legte seinem Pferd einen
Futtersack an und ließ sich ein wenig Zeit, das Tier
genau zu betrachten. Immerhin war er scharf geritten
und wollte sich überzeugen, dass es dem Wallach
gutging. Er sah einen alten Striegel auf dem Regal
neben wertlosem altem Zaumzeug, griff danach und
begann, das Fell des Tieres zu bürsten.
Während er striegelte, versank Kaspar in Gedanken. Ein Teil von ihm hatte hierher zurückkehren
wollen, um sich ein neues persönliches Reich zu errichten, aber dieser Tage war der Ehrgeiz in seinem
Herzen eher gedämpft, wenn auch nie vollkommen
verschwunden. So stark der Einfluss des verrückten
Zauberers Leso Varen auf Kaspar auch gewesen sein
mochte, das grundlegende Wesen des ehemaligen
Herzogs von Olasko war auch ohne ihn noch ehrgeizig.
Die Männer, die auf diesem Kontinent Ordnung
ins Chaos brachten, waren Männer mit Weitsicht,
aber auch mit Begierden. Macht um ihrer selbst willen stellte den Höhepunkt dieser Gier dar; Macht um
anderer willen hatte einen edleren Beigeschmack,
den Kaspar gerade erst zu schätzen begonnen hatte,
als er Männer wie Pug, Magnus und Nakor beobachtete, Männer, die erstaunliche Dinge tun konnten,
aber nur danach strebten, die Welt zu einem sichereren Ort für alle zu machen.
Er schüttelte den Kopf über diesen Gedanken und
erkannte, dass er keinerlei legale oder ethische
Grundlage
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