Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
Junge.
»Ich schwöre beim Gott der Diebe, Lügner und
Betrüger, dass ich dich gehen lasse, nachdem du
meine Fragen beantwortet hast.«
Der Junge hatte aufgehört, sich zu wehren, aber
Kaspar hielt ihn weiterhin fest. »Ich suche nach einem Jungen, etwa in deinem Alter.«
Der junge Dieb warf einen misstrauischen Blick
auf Kaspar und fragte: »An welche Art Junge hattet
Ihr denn gedacht?«
»Nicht eine Art, ein bestimmter Junge namens
Jörgen. Wenn er hier vorbeigekommen ist, war das
etwa vor einem Jahr.«
Der Junge entspannte sich. »Ich kenne ihn. Ich
meine, ich kannte ihn. Ein blonder, sonnenverbrannter Bauernjunge; kam aus dem Norden und suchte
nach seinem Pa, sagte er. War beinahe verhungert,
aber wir haben ihm das eine oder andere beigebracht.
Er ist eine Weile bei uns geblieben. Kein guter Dieb,
aber bei Schlägereien stand er seinen Mann. Er konnte gut kämpfen.«
»›Wir‹?«, fragte Kaspar.
»Die anderen Jungen und ich, meine Kumpel. Wir
gehören alle zusammen.«
Zwei Stadtbewohner bogen in die Gasse ein, also
setzte Kaspar den Jungen ab, hielt ihn aber weiter am
Arm fest. »Wo ist er hingegangen?«
»Nach Süden, nach Kadera. Der Radscha kämpft
dort unten, und dort ist Jorgens Pa hingegangen.«
»Hat Jorgens Mutter ihn gesucht?« Kaspar beschrieb Jojanna, dann ließ er den Arm des Jungen
los.
»Nein, hab sie nie gesehen«, sagte der Junge, und
bevor Kaspar reagieren konnte, war er weg.
Kaspar holte tief Luft, dann wandte er sich wieder
dem Markt zu. Er würde sich heute Nacht ausruhen,
und morgen würde er wieder nach Süden ziehen.
Eine Woche später verließ Kaspar den relativen
Wohlstand dessen, was, wie er erfahren hatte, nun
Königreich Muboya genannt wurde. Der junge Radscha hatte den Titel eines Maharadschas angenommen, was »großer König« bedeutete. Wieder ritt er
durch Kriegsgebiet, und mehrmals wurde er aufgehalten und verhört. Diesmal stieß er jedoch auf
weniger Hindernisse, da er überall einfach erklärte,
er sei auf der Suche nach General Alenburga. Sein
offensichtlicher Wohlstand, seine gute Kleidung und
ein gesundes Pferd wiesen ihn als »jemand Wichtigen« aus, und er wurde meist ohne weitere Fragen
weitergewunken.
Das Dorf, sagte man ihm, hieß Timbe, und es war
bisher dreimal überrannt worden, zweimal von den
Streitkräften von Muboya. Es lag einen halben Tagesritt südlich von Kadera, dem südlichen Kommandostützpunkt des Maharadschas. Nachdem er in der
Abenddämmerung eingetroffen war, hatte man Kaspar gesagt, der General sei zu diesem Dorf gekommen, um das Gemetzel zu inspizieren, zu dem die
letzte Offensive geführt hatte.
Das Einzige, was Kaspar überzeugte, dass die Armee von Muboya nicht besiegt worden war, war der
Mangel an Soldaten im Rückzug. Aber wenn man
von der Situation jener Streitkräfte ausging, die sich
noch im Feld befanden, und der überall sichtbaren
Zerstörung, war die Offensive des Maharadschas hier
eindeutig zum Stillstand gekommen. Bestenfalls hatte er ein Unentschieden erreicht, schlimmstenfalls
würde eine Gegenoffensive beginnen, und zwar
schon in ein oder zwei Tagen.
Es fiel Kaspar nicht schwer, den Pavillon des
Kommandanten zu finden, denn er befand sich oben
auf einem Hügel, von dem man das Schlachtfeld
überblicken konnte. Als er den Hügel hinaufritt,
konnte er sehen, wie die Stellungen im Süden verstärkt wurden, und zu dem Zeitpunkt, als sich zwei
Männer näherten, hatte er bereits keine Zweifel mehr
an der taktischen Situation des Konflikts.
Ein Offizier und eine Wache winkten Kaspar zu,
und der Offizier fragte: »Euer Begehren?«
»Ein Augenblick mit General Alenburga.« Kaspar
stieg ab.
»Wer seid Ihr?«, fragte der Offizier, ein müde und
schmutzig aussehender junger Mann. Sein weißer
Turban war beinahe beigefarben vom Straßenstaub,
und er hatte Blutspritzer auf Überhose und Stiefeln.
Die dunkelblauen Waffenröcke von beiden Männern
verbargen kaum die tiefroten Flecken des Bluts anderer Männer.
»Ich bin Kaspar von Olasko. Falls die Erinnerung
des Generals von dem Konflikt dort unten überwältigt wird, erinnert ihn an den Fremden, der vorschlug, außerhalb von Higara die Bogenschützen
hinten aufzustellen.«
Der Offizier hatte Kaspar offenbar wegschicken
wollen, aber nun sagte er: »Ich gehörte zu der Kavallerie, die nach Norden ritt und diese Bogenschützen
flankierte. Ich erinnere mich, dass erzählt wurde, ein
Ausländer habe dem General den Vorschlag gemacht.«
»Es
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