Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
eignete, wenn er nach Hause zurückkehrte, aber während der Ausbildung war das
alles, was sie hatten: Kampfkleidung und ein Nachthemd. Selbst während ihres Unterrichts bei den Ausführenden und Erleichterern trugen sie ihre Rüstung.
Die jungen Kämpfer eilten zum Stall, wo die Lakaien bereits die wartenden Varnins gesattelt hatten.
Die Reittiere scharrten am Boden und schnaubten
erwartungsvoll, weil sie schon annahmen, dass es auf
die Jagd ging. Valko trat zu seinem Reittier, einem
jungen Weibchen, das noch nicht geworfen hatte,
und tätschelte ihm fest den Hals, bevor er in den Sattel sprang. Der große Kopf des Varnin hob sich leicht
in Anerkennung, dass ihr Reiter anwesend war, dann
schnaubte sie, als er die Zügel nahm und einmal fest
daran riss, um zu zeigen, dass er das Sagen hatte.
Varnins waren dumme Tiere, und man musste sie
ununterbrochen daran erinnern, wer die Kontrolle
hatte. Die besten Reiter wählten männliche Tiere
wegen ihrer Aggressivität, aber die meisten saßen auf
Wallachen oder jungen Weibchen.
Valko wartete, während die anderen aufstiegen –
insgesamt zehn von den ursprünglichen sechzehn.
Die sechs, die gestorben waren, hatten dieses Schicksal verdient, wie Valko wusste, aber etwas am Tod
des Letzten, eines jungen Mannes namens Malka,
beunruhigte Valko. Malka hatte mit Seeleth geübt
und eine kleine Wunde davongetragen, nur einen
Schnitt in den fleischigen Teil des Unterarms, und
hatte nicht einmal sein Schwert fallen lassen. Wie
immer bei solchen Wunden gestattete man es ihm,
sich selbst zu verbinden. Valko hatte gesehen, wie
Malka Seeleth das Zeichen für eine Pause gab, und
Seeleth war zurückgetreten und hatte die Unterbrechung damit anerkannt. Malka hatte begonnen, das
Schwert von der rechten Hand in die linke zu nehmen, und Seeleth hatte gewartet, und in dem Augenblick, als Malka sich am wenigsten verteidigen konnte, hatte der Sohn der Remalu zugeschlagen und seinem Gegner einen Hieb gegen den Hals versetzt, der
ihn sofort umbrachte.
Niemand hatte etwas gesagt. Valko konnte sich
nicht vorstellen, dass Hirea es nicht gesehen hatte,
denn nichts entging dem Blick des alten Kriegers.
Und dennoch hatte er nichts unternommen. Valko
hatte erwartet, dass Seeleth getadelt, vielleicht sogar
getötet würde, denn er hatte gegen die Regeln des
Zweikampfs verstoßen, aber Hirea hatte dem Geschehen den Rücken zugewandt, als hätte er nichts
gesehen.
Das beunruhigte Valko, aber nicht genug, um eine
Frage zu stellen. Fragen waren gefährlich; zu viele
Fragen bedeuteten, dass ein Krieger seiner selbst unsicher war. Mangel an Sicherheit war Schwäche.
Schwäche war Tod.
Dennoch, es beunruhigte ihn; jemand befolgte die
Regeln nicht, wurde aber nicht bestraft. Worin bestand hier die Lektion?, fragte sich Valko. Dass ein
Sieg die Regeln außer Kraft setzte?
Hirea stellte sich in den Steigbügeln des alten
Männchens auf, das ebenfalls ein Veteran war und so
viele Narben trug wie der Krieger selbst. Er gab ein
Zeichen, und die Reiter verließen den Stallbereich
und sammelten sich am Tor des Stallhofes. Hirea bat
mit einer Handbewegung um Ruhe und sagte dann:
»Ein Krieger muss stets bereit sein, jeden Augenblick des Tages und der Nacht dem Ruf zu folgen.
Also reiten wir!«
Die jungen Krieger folgten ihrem Lehrer, als er sie
die lange, gewundene Straße von der alten Festung
wegführte, in der ihre Ausbildung stattfand. In vergangenen Zeitaltern hatte die Festung einem Häuptling eines alten Stammes gehört, dessen Name nun
nur noch den Archivaren bekannt war. Der wechselhafte Sand, der die Grundlage der Gesellschaft der
Dasati darstellte, hatte eine weitere Familie verschluckt. Vielleicht hatte eine Gruppe von Familien
das Bündnis gewechselt, ihren ehemaligen Verbündeten einem harschen Schicksal überlassen und
selbst mächtigere Gönner gesucht. Vielleicht war ein
Gönner von seinen Abhängigen verlassen worden,
die mehr Macht in neuen Bündnissen suchten.
Valko erkannte, dass er es nie erfahren würde, solange er keinen Archivar fragte; etwas, wozu er kaum
Zeit und woran er noch weniger Interesse hatte. Er
wartete, dass seine Sinne sich der Nacht anpassten.
Er zog diese Tageszeit vor: Der Mangel an sichtbarem Licht wurde durch seine Fähigkeit, Hitze zu sehen, mehr als ausgeglichen, und in geringerem Maß
konnte er auch Bewegungen spüren. Wie alle von
seinem Volk war er imstande, sich den meisten Umgebungen anzupassen, selbst tiefen,
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