Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
hinunterreiten wollten, bedeutete Hirea ihnen stehen zu bleiben. Mehrere Varnins
schnaubten mit geblähten Nüstern und zitterten, als sie
angestrengt nach Atem rangen. Valko fragte sich, ob
man Varnins und Zug-Varnins miteinander kreuzen
könnte, um ein Tier zu erhalten, das sowohl zäh als
auch leidenschaftlich im Kampf war. Er merkte sich
die Frage, um den Züchter auf den Ländereien seines
Vaters zu fragen. Ein solches Tier würde den Camareen Macht geben, ihren Status bei den Sadharin vergrößern und sie vielleicht sogar näher an den Hof des
Karana und die Lagradin bringen, denn ein solches
Tier würde für das Kaiserreich sehr wertvoll sein.
Dann spürte Valko es. Es war so vertraut wie die
Stimme seiner Mutter – das Gefühl, nahe einem Versteck zu sein. Sein Geist kämpfte mit widerstrebenden Gedanken und Gefühlen. Er sah, dass auch andere junge Reiter aufgeregt und verwirrt wirkten.
Nur Wochen zuvor wäre er unter jenen gewesen,
die Schutz vor den nächtlichen Reitern suchten und
mit dem Land eins zu werden versuchten.
Er zwang sich nachzudenken. Wieso sollte es hier
ein Versteck geben, auf flachem Bauernland, wo es
von Zarkis, Keskash und anderen Gefahren nur so
wimmelte? Er riss sich von den sich widersprechenden Wünschen los, sich zu verstecken und gleichzeitig zu jagen. Dort! Er sah es. Ein Bach, der sich tief
genug in den Schotter darunter eingeschnitten hatte,
dass er von der Straße aus nicht zu sehen war. Er
würde von den Hügeln nach Osten führen. Wer immer
sich in der Nähe versteckte, war aus den Bergen herabgekommen, und vielleicht hatte ein Lord das Versteck auf seinem Land bemerkt und sich bei der Jagd
nach den Flüchtigen dumm angestellt. Oder vielleicht
suchten sich die Flüchtigen auch zur Übung einen anderen Platz, wie es seine Mutter während seiner
Kindheit oft getan hatte – obwohl seine Mutter es nie
zugelassen hätte, dass er und die anderen Kinder sich
in einer solch verwundbaren Position befanden.
In jedem Dasati-Krieger gab es den natürlichen
Wunsch, alle jungen männlichen Rivalen und alle
Frauen zu töten, die zu jung oder zu alt waren, um
sich mit ihnen zu paaren. Seine Mutter hatte ihm beigebracht, dass das Volk sterben würde, wenn die
Krieger zu großen Erfolg hatten. Aber wenn sie nicht
ernsthaft versuchten, das Land von den Schwachen
zu läutern, würde das Volk schließlich auch aussterben. Seine Mutter war eine bemerkenswerte Lehrerin
und hatte Valko immer Themen gegeben, über die er
nachdenken konnte. Bei mehr als nur einer Gelegenheit hatte sie darauf hingewiesen, dass Intelligenz
kein nützliches Geschenk des Dunklen war und dass
Tiere, die mehr im Gleichgewicht mit der natürlichen
Ordnung standen, bessere Überlebenschancen hatten
als die Dasati. Nur ein Kind von fünfen wurde erwachsen, weshalb es so wichtig war, jung mit dem
Züchten zu beginnen.
Selbst abstraktes Denken an Zucht, während er
mitten auf einer Jagd war, ließ Valkos Körper
schmerzen. Wenn es eine angemessene Frau in der
Nähe gab, würde er sie in dieser Nacht nehmen,
selbst wenn sie eine Geringere sein sollte! Es waren
genau diese Sehnsüchte gewesen, die seine Mutter
gezwungen hatten, ihn zu seinem Vater zu schicken,
denn sobald er sich vermehren konnte, war er auch
bereit für die Prüfung, und noch wichtiger, er stellte
eine tödliche Gefahr für jeden unreifen Dasati im
Versteck dar. Valko fragte sich, wo seine Mutter jetzt
wohl sein mochte. Er wusste, sobald er aufgebrochen
war, hatten sie und die übrigen Mütter im Versteck
sich zu einem anderen sicheren Ort begeben, vielleicht in eins der Dörfer der Geringeren in den hohen
Bergen.
Valko schüttelte den Kopf, um wieder klar denken
zu können. Es war Wahnsinn, seinen Gedanken
nachzuhängen, wenn eine Läuterung bevorstand! Er
sah, dass Hirea ihn beobachtete. Valko zögerte nicht,
sondern spornte sein immer noch atemloses Varnin
an, um zum Bachufer zu stürmen. Wie er schon angenommen hatte, duckten sich dort Leute unterhalb
des schützenden Felsüberhangs. Sobald die Hufe des
Varnin auf das Wasser trafen, begannen sie zu laufen.
Er konnte im Dunkeln die Gesichter nicht gut erkennen, aber als sie sich bewegten, fiel der nasse
Schlamm, der sie verborgen hatte, von ihren Oberkörpern ab und wurde vom Bach von den Beinen und
Oberschenkeln gewaschen. Es gab ein halbes Dutzend Jungen und drei erwachsene Frauen. Er zog
sein Schwert und griff an. Eine Frau drängte die Jungen vor
Weitere Kostenlose Bücher