Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
dass das Weiße existierte, bedeutete zuzugeben, dass der Dunkle nicht allmächtig war. Und
dennoch, wenn es tatsächlich existierte und man irgendwie der Krieger sein könnte, der ihm ein Ende
machte, würde das zweifellos Ruhm einbringen.
Aber wie konnte es das Weiße geben, solange der
Dunkle allmächtig herrschte? Schon die Frage war
ein Affront gegen die Logik. War es anstößig genug,
um zu rechtfertigen, dass er Seeleths Kopf nahm, ohne sich gegen Hirea verteidigen zu müssen? Einen
Remalu zu töten, würde sein Ansehen bei seinem
Vater erhöhen. Er dachte allerdings nur einen Augenblick darüber nach, dann schob er die Frage beiseite und folgte Seeleth zum Höchststands-Mahl.
Es war ein winziger Fehler gewesen, aber einer, der
einen jungen Krieger auf dem Sand zurückließ. Sein
Blut quoll zwischen den Fingern hervor, die er in
seine Wunde gekrallt hatte.
Hirea ging auf ihn zu und blickte zu dem verwundeten jungen Mann hinunter. Sein Ausbildungsgegner tat das Gleiche, seine Miene eine undurchschaubare Maske. Hirea wandte sich an den Sieger des
Kampfes und sagte: »Geh und stell dich dorthin.« Er
zeigte auf eine Stelle am Rand des Kampfbodens.
Dann schwieg er einen Moment, und schließlich
fragte er: »Was brauchst du?«
Der verwundete junge Krieger konnte kaum sprechen, während er zusammengerollt auf dem Boden lag
und die Hände auf den Bauch presste. »Beende es.«
Hireas Hand zuckte zum Griff seines Schwerts,
und bevor die anderen jungen Krieger die Bewegung
auch nur begreifen konnten, wurde das Schwert abwärtsgerissen und beendete das Leben des jungen
Mannes. Dann begannen mehrere Schüler über sein
Unglück zu lachen. Valko und Seeleth waren nicht
darunter. Hirea blickte zu denen auf, die lachten, und
sagte: »Er war schwach! Aber nicht so schwach, dass
er um einen Behandler gebeten hätte.« Er warf einen
Blick nach unten. »Das hier ist nicht komisch. Es ist
nicht bedauernswert, aber auch nicht komisch.« Er
bedeutete mit der freien Hand, dass die Leiche des
Jungen weggebracht werde, und die beiden Geringeren in der Nähe beeilten sich, das nun leblose Ding
aufzulesen und zum Todesraum zu bringen, wo die
Verwender die Leiche zerlegen und alles Nützliche
herausnehmen würden. Der Rest würde unter das
Viehfutter gemischt. Auf diese winzige Weise würde
er immer noch dienen.
»Gibt es jemanden hier, der etwas nicht versteht?«
Als keiner sprach, sagte Hirea: »Es ist erlaubt, Fragen zu stellen; ihr werdet nicht lernen, wenn ihr
schweigt.«
Ein Krieger auf der anderen Seite des Raums fragte: »Hirea, was hättet Ihr getan, wenn er um einen
Behandler gebeten hätte?«
Hirea steckte sein Schwert ein. »Ich hätte zugesehen, wie er langsam verblutet. Sein Leiden wäre Belohnung für seine weitere Schwäche gewesen.«
»Und das wäre wirklich komisch gewesen«, sagte
Seeleth.
Hirea hörte das und wandte sich ihm zu. »Ja, das
wäre es.« Er lachte kurz, ein harsches, bellendes Geräusch, dann rief er: »Kehrt auf eure Plätze zurück!«
Zu dem Gegner des Toten sagte er: »Ich werde dein
Partner bei der Ausbildung sein, bis der Nächste
stirbt, dann wird derjenige, der ihn umgebracht hat,
dein neuer Bruder sein.« Er stellte sich dem jungen
Mann gegenüber, der gerade seinem Gegner eine
tödliche Wunde zugefügt hatte, und sagte: »Gut getötet.«
Der junge Mann nickte, aber er wagte nicht zu lächeln, und seine nervöse Miene zeigte, dass er sich
nun fragte, ob er den Rest der Ausbildung dieses Tages überleben würde.
Die jungen Krieger wurden mitten in der Nacht von
Dienern geweckt. Die Geringeren gingen sehr vorsichtig vor, betraten leise jeden Raum und flüsterten
den jungen Männern zu, sie sollten aufstehen, dann
traten sie schnell wieder weg, damit keiner der plötzlich erwachenden jungen Männer seinen Zorn an
dem nächststehenden Ziel ausließ. Aber die Botschaft wurde gehört: Hirea sagt, Ihr sollt Euch sofort
zum Reiten fertig machen.
Die Krieger schliefen, wie es sich für Dasati gehörte, in dunklen Nachthemden, die Waffen griffbereit. Rasch kehrten Diener in jeden Raum zurück, um
den jungen Kämpfern zu helfen, zogen ihnen die
Nachthemden aus, halfen ihnen, einen schlichten
Lendenschurz, Fuß- und Knöchelwickel und ein
leichtes Unterhemd anzulegen. Dann kamen gepolsterte Hosen und eine leichte Jacke, dann die Rüstung. Jeder Krieger, der die Ausbildung überlebte,
würde vollständige Kleidung vorfinden, die sich für
alle Gelegenheiten
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