Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
idyllisch verlaufen.
»Dennoch«, fuhr Pug fort, »es wird sich noch zeigen müssen, auf welche Art wir die kommende Reise
überleben.«
Eine Stimme hinter ihnen, die keshianisch ohne
Akzent sprach, sagte: »Das ist genau die Frage, die
Ihr stellen solltet.«
Pug und Magnus hatten nicht bemerkt, dass der
Sprecher sich näherte, also reagierten sie beide
schnell und nahmen Stellungen ein, die man nur als
defensiv bezeichnen konnte: das Gewicht gleichmäßig verteilt, die Knie leicht gebeugt, die Hände nahe
den Dolchen in ihren Gürteln. Keiner von beiden
fühlte sich bereits kompetent genug, es mit einer magischen Verteidigung zu versuchen.
»Immer mit der Ruhe! Wenn ich wollte, dass Ihr
sterbt, wärt Ihr bereits beide tot«, sagte der Sprecher,
ein hochgewachsener Ipiliac mit dem am menschlichsten wirkenden Gesicht, das sie bisher gesehen
hatten, vor allem wegen seiner tiefliegenden Augen
und den dichten schwarzen Brauen. Er trug sein Haar
bis auf die Schultern, ein weiterer ungewöhnlicher
Zug bei einem Volk, bei dem die meisten Männer
ihres im Nacken oder noch höher rasierten. Sein Gesicht hatte Falten und legte nahe, dass er nicht mehr
allzu jung war, aber seine Augen waren lebhaft und
forschend, und seine Haltung und die Kleidung
konnten nur als die eines Kriegers bezeichnet werden: eine gesteppte Jacke, ein gekreuzter lederner
Waffengurt mit mehreren Waffen, Reithosen und
Stiefel, die vermuten ließen, dass er für gewöhnlich
beritten war.
»Ich heiße Martuch«, sagte er ruhig. »Ich bin Euer
Führer. Ich bin ein Dasati.«
Zwölf
Feinde
Miranda warf eine Vase.
Ihre Gereiztheit hatte ihre Selbstbeherrschung
überstiegen, und sie musste ihrer Frustration einfach
Ausdruck verleihen. Sofort bereute sie, was sie getan
hatte – sie mochte die schlichte, aber haltbare Keramik –, also griff sie mit dem Geist zu und packte die
Vase nur ein paar Zoll, bevor sie die gegenüberliegende Wand erreichte, und verhinderte so, dass sie
zerbrach. Sie ließ sie zurück in ihre Hand fliegen und
stellte sie wieder auf den Tisch, wo sie einen Augenblick zuvor gestanden hatte.
Caleb war gerade rechtzeitig hereingekommen, um
Zeuge ihrer Aktionen zu werden. »Vater?«, fragte er.
Miranda nickte. »Er fehlt mir so, und es macht
mich …«
Caleb grinste, und einen Augenblick konnte sie die
Ähnlichkeit zum Lächeln ihres Mannes erkennen.
»Ungeduldig?«, bot er an.
»Eine weise Wahl der Worte«, sagte sie. »Gibt es
Neuigkeiten?«
»Nein, nicht von Vater oder Magnus, und ich erwarte auch nicht so bald, von ihnen zu hören. Aber
wir haben eine Botschaft von der Versammlung, die
deine Gegenwart erbittet, so schnell es dir möglich
ist.«
Miranda stellte eine rasche Berechnung im Kopf
an und erkannte, dass es auf beiden Planeten Vormittag sein musste, denn die ungleichen Tage führten zu
langen Zeiten, wo es Nachmittag auf der einen Welt
und Mitternacht auf der anderen war. »Dann gehe ich
sofort«, sagte sie zu Caleb. »Du hast hier das Sagen,
bis ich zurückkehre.«
Caleb hob die Hände. »Du weißt, dass viele der –«
»Magier es nicht mögen, wenn du verantwortlich
bist«, schloss sie für ihn. »Ich weiß. Und es ist mir
egal. Diese Insel gehört deinem Vater und mir, und
sie wird zu deiner Insel, wenn wir nicht da sind. Außerdem befindet sich Rosenvar immer noch in Novindus bei den Talnoy, und Nakor und dein Bruder
sind bei deinem Vater, was bedeutet, dass du eben
mit all den kleinen ärgerlichen Dingen, die hier geschehen, zurechtkommen musst. Wenn es wirklich
zu einer Auseinandersetzung kommt, schlichte sie
oder verschiebe die Lösung, bis einer von uns wieder
da ist. Außerdem, mein Sohn, werde ich nicht lange
auf Kelewan bleiben.«
»Das kann ich nur hoffen«, sagte Caleb.
Im Gehen drehte sich seine Mutter noch einmal
um und fragte: »Hast du von den Jungen gehört?«
Caleb zuckte die Achseln. »Sie verfügen nicht
über die Fähigkeit, schnell zu kommunizieren, Mutter. Ich habe ein paar von unseren Agenten in Roldem gebeten, sie wenn möglich im Auge zu behalten,
aber wie viel Ärger können sie schon machen, umgeben von einer ganzen Universität von La-timsaMönchen?«
»O Mann, du hast dir wirklich Ärger eingeheimst«,
sagte Zane.
»Jede Menge«, fiel Tad ein.
Jommy warf ihnen beiden finstere Blicke zu, als er
den Übungsbereich betrat. Die Studenten übten mit
Schwertern, und Jommy wusste zwar, wie man einem Mann eins mit dem Griff versetzte oder wie
man ihm die Kehle durchschnitt,
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