Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
dagegen tun. Es ist wie mit den Bäckerjungen in Kesh – wenn ich sehe, wie jemand andere
schikaniert, möchte ich ihm einfach den Schädel einschlagen. Das kommt wahrscheinlich davon, dass ich
der Kleinste in der Familie war.«
Tads Augen weiteten sich. »Du warst der Kleinste?«
»Regelrecht kümmerlich«, bestätigte Jommy und
zog den Waffenrock der Uniform über den Kopf.
»Meine älteren Brüder, die waren große, starke Burschen.«
Zane warf Tad einen Blick zu. »Wirklich unglaublich.«
»Kommt schon«, sagte Jommy, als er mit Umziehen fertig war. »Wir müssen zu den anderen zurückkehren.«
Die Studenten folgten Bruder Samuel zur Universität, wo weiterer Unterricht auf sie wartete. Für die
drei Jungen von der Insel des Zauberers bedeutete
das, in ihren bescheidenen Studienraum zurückzukehren, wo sie sich mit ihrem Tutor, Bruder Jeremy,
trafen, der versuchte, ihnen die Grundlagen der Mathematik beizubringen. Zane war eine Naturbegabung und verstand nicht, wieso Jommy und Tad solche Probleme mit etwas hatten, das ihm überraschend leichtfiel.
Nach zwei Stunden Mathematikunterricht war es
Zeit für die Abendmahlzeit, die in Schweigen vonstatten ging, da die Jungen mit den Mönchen aßen
und hin und wieder auch mit den Priestern von Latimsa. Beim Frühstück und beim Mittagsmahl ging
es so laut zu, wie man es sich in einer Halle voller
Jungen vorstellen kann, aber die einzigen Geräusche,
die man bei der Abendmahlzeit hörte, waren das
Klappern von Tellern, die herumgereicht wurden,
und das Kratzen von Messern und Löffeln auf dem
Geschirr.
Jommy konnte also nicht reden, aber das hielt ihn
nicht davon ab, Zane einen Schubs zu versetzen, der
seinerseits Tad schubste. Jommy zeigte mit leicht zur
Seite geneigtem Kopf auf eine besondere Persönlichkeit, die am Haupttisch saß. Der Mann war ein hochgewachsener, älterer Priester und seinem Gewand
nach zu schließen von hohem Rang. Er schien die
drei Jungen von der Insel des Zauberers zu beobachten. Das Starren des Priesters bewirkte, dass Jommy
sich sehr unbehaglich fühlte, und er schaute schnell
wieder auf seinen Teller zurück.
Am Ende der Mahlzeit hatten die Schüler besondere Pflichten, bevor sie sich schlafen legten, aber
statt in die Küche geschickt zu werden, wo sie diese
Woche eingeteilt waren, sahen die drei Bruder Stephen auf sie zukommen. »Ihr geht mit mir«, sagte er,
drehte sich um und ging davon, ohne sich zu überzeugen, dass sie ihm folgten.
Die Jungen folgten dem Bruder, bis sie sein Büro
erreichten. Drinnen sahen sie, dass der ältere Priester,
der am Haupttisch gesessen hatte, dort auf sie wartete. Er bedeutete ihnen, die Tür zu schließen, dann
setzte er sich hinter Bruder Stephens Schreibtisch. Er
sah einen Jungen nach dem anderen an, dann sagte er
schließlich: »Ich bin Vater Elias. Ich bin der Abt hier
an der Universität. Es mag euch vielleicht nicht so
vorkommen, aber diese Schule stellt tatsächlich eine
Abtei dar. Es ist euch dreien irgendwie gelungen, auf
der falschen Seite einiger sehr mächtiger Personen zu
landen. Ich hatte viele Anfragen nach euch, darunter
auch eine von einem Stellvertreter des Königs selbst,
was die Gründe für euer Hiersein angeht, warum ein
keshianischer Adliger von beträchtlichem Einfluss
beim Kaiser und seinem Bruder euer Schirmherr ist,
und eine Menge anderer schwieriger und unliebsamer Fragen. Es soll genügen, wenn ich sage, dass ich
in den Wochen, seit ihr eingetroffen seid, in ein paar
sehr unangenehme Briefwechsel verwickelt war.«
Jommy sah aus, als wollte er etwas sagen, dann erinnerte er sich, dass ihm das nicht ohne Erlaubnis
gestattet war. Der Abt bemerkte es und fragte: »Du
hast etwas zu sagen?«
»Ja, Vater.« Er verstummte.
»Dann sprich es aus, Junge.«
»Also gut«, begann Jommy. »Vater, wir suchten
nicht nach Ärger, als wir hierherkamen. Er wartete
schon auf uns, als wir eintrafen. Ich weiß nicht, ob
das immer gemacht wird oder ob jemand im vorhinein beschlossen hat, es wäre eine gute Idee, sich auf
uns im Besonderen zu stürzen, bevor wir auch nur
einen Fuß in dieses Gebäude gesetzt hatten, aber die
Wahrheit ist, dass wir lieber einfach zu Bruder Kynan gegangen wären, um uns vorzustellen, und uns
an die Regeln gehalten hätten, so gut wir können.
Aber Servan kam offenbar zu dem Schluss, dass seine Aufgabe darin besteht, uns jeden einzelnen Tag zu
verderben, und ich bin eigentlich ein freundlicher
Mensch, aber ich sehe nicht,
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