Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
Godfrey ging in die
Knie. Blut floss unter seiner Maske vor. »Foul!«, rief
der Schwertmeister.
»Das mag sein«, sagte Jommy. »Aber ich habe bei
Kämpfen schon Schlimmeres gesehen.«
Der Schwertmeister warf einen Blick zum ranghöchsten Mönch, Bruder Samuel, dem es mit einiger
Mühe gelang, ein Lachen zu unterdrücken. Er war
Soldat in der Armee von Roldem gewesen, bevor er
die Berufung empfing, ein Mönch von La-timsa zu
werden. Nun war er zuständig für die kriegerische
Ausbildung der Studenten. Jommy, Tad und Zane
hatten ihn sofort liebgewonnen, und er schien ihre
etwas raue Herangehensweise an das Thema zu mögen. Die drei Jungen lagen vielleicht in Fächern wie
Geschichte, Literatur, Philosophie und Kunst weit
zurück, aber es war klar, dass ihre bisherige »Erziehung« bereits einiges an waffenlosem Kampf und
Schwertarbeit beinhaltet hatte. Sie mochten keine
Duellanten sein, konnten sich aber gut schlagen.
Bruder Samuel neigte den Kopf zur Seite und zog die
Brauen hoch, als wollte er dem Schwertmeister sagen: Das ist Euer Problem, Ihr seid hier der Zuständige.
»Das hier ist der Hof der Meister!«, verkündete
der Schwertmeister, als ob dies alles erklärte. »Diese
Lektionen dienen dem Zweck, die Kunst des
Schwertkampfs zu vollenden.«
»Dann habe ich gewonnen«, stellte Jommy fest.
»Wie bitte?« Der Blick des Schwertmeisters war
vollkommen ungläubig.
»Sicher«, sagte Jommy und klemmte sich den
Helm unter den rechten Arm, damit er mit der linken
Hand gestikulieren konnte.
»Das ist empörend!«, rief Servan.
Jommy holte tief Luft, und in einem Tonfall, den
für gewöhnlich Leute anwandten, die zu kleinen
Kindern oder sehr dummen Erwachsenen sprachen,
sagte er: »Ich wusste, dass du das nicht verstehen
würdest, Servan.« Dann wandte er sich wieder an
den Schwertmeister. »Mein Gegner versuchte eine
Angriffslinie zu errichten, die dazu gedacht war,
mich zurückweichen zu lassen, während ich versuchte, mich von seiner Klinge zu lösen, korrekt?«
Der Schwertmeister konnte nur nicken.
»Und wenn ich das getan hätte, hätte er mein
Schwert nach außen geschoben und wäre weiter vorgedrungen, und wenn ich nicht erheblich schneller
wäre als er – was ich nicht bin –, hätte er mich berührt, und ich hätte verloren. Oder er hätte es nach
innen gedrückt, einen raschen Schlag folgen lassen,
um seine Linie zu etablieren, und wahrscheinlich vor
mir das Recht einer weiteren Berührung erlangt. Eine
weitere Berührung, und er gewinnt den Kampf.
Wenn ich ihm andererseits ins Gesicht schlage und er
sich nicht gegen ein Foul durchsetzen kann, müssen
wir noch einmal von vorn anfangen, und vielleicht
werde ich diesmal siegen.«
»Das ist …« Offenbar fehlten dem Schwertmeister
die Worte.
Jommy sah sich im Raum um und sagte: »Was?
Funktioniert es nicht so nach einem Foul?«
Der Schwertmeister schüttelte den Kopf. »Der
Kampf ist beendet. Ich ernenne Godfrey zum Sieger.«
Godfrey, immer noch mit seiner blutenden Nase
beschäftigt, sah kaum wie ein Sieger aus. Er warf
Jommy einen wütenden Blick zu, der seinerseits nur
lächelte und die Achseln zuckte.
Bruder Samuel wies die Jungen an, wieder ihre
Uniformen anzulegen; die Lektion des Tages war
vorüber. Servan flüsterte Godfrey etwas zu, während
der verletzte Junge weiterhin wütend Jommy anstarrte.
Bruder Samuel ging an jedem Jungen in der Klasse vorbei und gab eine Bemerkung zu seinem
Kampfstil ab, und als er die drei Jungen von der Insel
des Zauberers erreichte, sagte er: »Tad, gut gemacht.
Schnelligkeit ist ein großer Vorteil. Aber du musst
ein wenig vorsichtiger sein, wenn du die nächste
Bewegung deines Gegners vorwegnimmst.« Dann
warf er Zane einen Blick zu. »Und du musst mehr
vorwegnehmen. Du bist zu vorsichtig.« Schließlich
sah er Jommy an und sagte: »Ich würde dich nie mit
zu einem Turnier nehmen, Junge, aber du kannst jederzeit links von mir auf der Mauer stehen.« Er
zwinkerte und ging davon.
Jommy lächelte seine Pflegebrüder an und sagte:
»Schön, dass jemand meine besseren Qualitäten zu
schätzen weiß.«
Zane schaute an Jommy vorbei zu Servan und
Godfrey. »Er ist vielleicht der Einzige.« Dann senkte
er die Stimme. »Du bist auf dem besten Weg, dir ein
paar sehr mächtige Feinde zu machen, Jommy. Wir
werden nicht immer an der Universität sein, und der
Verwandte eines Königs hat vielleicht einen langen
Arm.«
Jommy seufzte. »Du hast recht, aber ich kann einfach nichts
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