Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
sprachlos. Hundert roldemische
Sovereigns waren mehr wert als dreihundert gewöhnliche Goldstücke im Tal der Träume, wo zwei von ihnen
aufgewachsen waren. Ein solches Einkommen konnte
es durchaus mit dem von Müller Hodover in Stardockstedt aufnehmen, dem reichsten Mann, den Tad und
Zane in ihrer alten Heimat gekannt hatten. Jommy
konnte sich an überhaupt niemanden erinnern, der ein
solches Einkommen hatte. Alle drei hatten im gleichen
Moment den gleichen Gedanken: Sie waren reich!
»Geht jetzt und genießt die Aufmerksamkeit«,
sagte der König. »Am Abend kehrt Ihr zur Universität zurück, und ich höre, dass sich die Mönche von
Titeln und Wohlstand nicht beeindrucken lassen.«
Die Jungen verbeugten sich und traten einen
Schritt zurück, dann drehten sie sich um und drängten sich in die Menge. Servan und Godfrey gesellten
sich zu ihnen, und auch Grandy fand seinen Weg zu
den fünfen.
»Grandprey?«, fragte Tad.
Grandy zuckte die Achseln. »Der Name des Großvaters meiner Mutter. Man hat mich nicht gefragt.«
Jommy versuchte es mit einer Verbeugung. »Euer
Hoheit.«
Grandy sagte spielerisch: »Sir Jommy.«
»Da wir gerade von Namen reden«, warf Servan
ein. »Was für eine Art Name ist ›Jommy‹ eigentlich?«
Jommy zuckte die Achseln. »Eine Art Familienname. Eigentlich heiße ich Jonathan, aber mein
nächstälterer Bruder war noch ein Baby und konnte
das nicht aussprechen, also sagte er ›Jommy‹, und
das blieb hängen. Niemand nennt mich Jonathan.«
Essen erschien, herbeigetragen von Pagen, und jeder junge Mann nahm sich einen Teller voll und einen Becher Bier. »Genießt es«, sagte Servan, »denn
bei Sonnenuntergang sind wir wieder der Gnade der
Brüder von La-timsa ausgeliefert.«
»Ja«, sagte Tad lächelnd, »aber bis dahin haben
wir etwas zu essen, etwas zu trinken und hübsche
Mädchen, mit denen wir flirten können.«
Jommy hob den Kopf wie ein verblüfftes Reh.
»Mädchen!«, sagte er und sah sich um. »Ich will
verdammt sein, und ich bin nun ein Ritter!«
Die anderen fünf lachten. Jommy grinste und sagte: »Bis zu diesem Morgen war ich ein Bauernjunge,
der wenig zu bieten hatte, aber von jetzt an bin ich
ein gutaussehender junger Ritter mit Aussichten, der
auch noch mit einem königlichen Prinzen befreundet
ist. Wenn ihr Rüpel mich also entschuldigt, werde
ich jetzt sehen, wie viele Mädchen ich beeindrucken
kann, bis man uns wieder zur Universität zerrt.«
»Von jetzt an heißt das ›Sir Rüpel‹«, sagte Tad,
aber auch er reichte seinen kaum angerührten Teller
einem Pagen.
Zane begann das Essen hinunterzuschlingen und
sagte mit vollem Mund: »Ich stoße in einer Minute
zu euch!«
Er nahm den letzten Bissen, dann eilte er hinter
seinen Pflegebrüdern her. Godfrey warf einen Blick
zu Grandy und Servan. »Mögen die Götter die Töchter Roldems beschützen!«
Servan lachte leise. »Du kennst diese Mädchen
dein Leben lang, Godfrey. Dir sollten lieber die Jungen leidtun.«
Grandy lachte laut.
Fünfzehn
Das Weiße
Valko hob das Schwert.
Von den fernen Zinnen der Burg seiner Familie
erwiderte Aruke den Gruß und hieß einen überlebenden Sohn willkommen, der von der Ausbildung zurückkehrte. Hirea ritt an Valkos Seite. Nachdem die
Ausbildung vorüber war, hatte er den Sohn der Camareen schlicht informiert, dass er mit ihm in Richtung des Landsitzes seines Vaters kommen und dann
zu seinem eigenen Heim, Talidan, reisen würde, einer Stadt, die näher an den Bergen im Osten lag. In
angemessenem Abstand hinter ihnen folgten Hireas
Diener.
Während sie zusammen unterwegs waren, sagte
Hirea: »Es ist Zeit, offen zu reden, junger Valko.«
»Das Gespräch, das Ihr an jenem Nachmittag auf
dem Kampfboden erwähntet«, erwiderte der junge
Krieger, »das, auf das ich vergeblich gewartet habe?«
»So sind nun einmal Zeit und Umstände«, sagte
der alte Lehrer. »Ich habe wenig zu sagen; dein Vater
wird dir mehr verraten. Für den Anfang lass mich dir
mitteilen, dass deine Mutter Dinge vor dir verborgen
hat, damit du sie oder dich selbst vor diesem Tag
nicht verrätst. Sie und ich sind uns begegnet, und sie
ist eine bemerkenswerte Frau. Und das ist es, was du
wissen musst: Alles, was dir deine Mutter beigebracht hat, entspricht der Wahrheit, alles, was man
dir gezeigt hat, seit du aus dem Versteck kamst, ist
falsch.«
Valko riss den Kopf herum. Er starrte den alten
Mann an. »Was …«
»Die Blutgier, die wir zu bestimmten Zeiten verspüren, und das Bedürfnis, unsere
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