Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
Gelegenheit zu geben, sich nach oben zu vereinigen. Nur eine einzige
junge Frau schien Hireas Anforderungen nahezukommen, und sie war von fünf seiner Mitschüler
umgeben.
Seeleth trat an seine Seite. »Du wirst dich heute
Abend nicht vereinigen, Bruder?«
Valko warf ihm einen Seitenblick zu und schüttelte den Kopf. Er sah, dass Seeleth sich entschieden
hatte, das Abzeichen von Remalu an seiner Rüstung
zu tragen. Es war nicht verboten, und Valko hätte
auch das Abzeichen der Camareen oder das der Sadharin tragen können. Er tat beides nicht. Aber vor
allem fand Valko es seltsam, dass Seeleth das Abzeichen seiner Gruppe trug und nicht das der Abstammung. Er fühlte sich versucht zu fragen, aber wie bei
allen Dingen, die Seeleth angingen, hielt er schließlich Schweigen für den besseren Weg. Er war zu dem
Schluss gekommen, dass die Gelegenheit für eine
nützliche Vereinigung gering war, und er nahm an,
dass Hirea das wusste. Der alte Krieger stand nahe
dem Tisch seines Gastgebers und behielt seine
Schutzbefohlenen genau im Auge.
Valko wusste, im Lauf des Abends würden seine
Kameraden sich betrinken und dumme Entscheidungen treffen. Er war allerdings nicht sicher, ob so etwas erwartet wurde und er das Gleiche tun sollte.
Einerseits wollte er weder Zeit noch Energie auf etwas verschwenden, das ihm keinen Vorteil brachte,
andererseits erinnerte er sich an Hireas Warnung,
sich nicht zu sehr von den anderen zu unterscheiden.
Er dachte darüber nach und sagte zu seinem Begleiter: »Und, suchst du keine Frau, ›Bruder‹?«
Seeleth grinste wie ein hungriger Zarkis. »Um ehrlich zu sein gibt es hier keine, die meine Aufmerksamkeit wert ist. Findest du nicht auch?«
Valko warf ihm erneut einen Seitenblick zu, dann
schaute er zu Boden. Er hatte seine Entscheidung
getroffen. »Ich denke, diese Frau, die gerade mit Tokam spricht, könnte es sein.«
»Warum? Ihr Vater ist ein unwichtiger Ritter.«
»Aber ihre Mutter ist die jüngere Schwester von
jemandem, der eine hohe Stellung in der Blutgarde
hat – von Unkarlin.« Bevor Seeleth etwas einwenden
konnte, ging Valko entschlossen auf die Frau zu. Sie
war attraktiv, und er konnte spüren, wie sein Puls
schneller schlug, als er über die Möglichkeit einer
Vereinigung mit ihr nachdachte, oder über einen
Kampf mit Tokam um sie. Er wusste, dass er nichts
von beidem tun würde, aber indem er scheinbar Interesse zeigte, benahm er sich durchschaubar genug,
um alles Misstrauen abzuwenden, falls man ihn beobachtete, und er vermied, seine Zeit für eine Frau zu
verschwenden, die nicht wirklich über eine gute Stellung verfügte und deshalb am Ende eben Zeitver
schwendung war.
Er warf einen Blick zu Hirea und bemerkte, dass
der alte Krieger ihn anschaute, als er sich den beiden
näherte, die sich leise unterhielten und offenbar in
ein Gespräch vertieft waren. War das Anerkennung,
was er dort im Blick des alten Mannes sah?
Valko kam zu dem Schluss, dass sie miteinander
sprechen mussten, und zwar bald.
Tad war unruhig, Zane starrte geradeaus, und Jommy
grinste. Der Empfang im Palast war nach dem Maßstab der Jungen alles andere als »bescheiden«. Mindestens zweihundert Höflinge standen zu beiden Seiten des langen Teppichs, der zum Thron führte, und
an den Wänden hatten zwei Dutzend königliche Wachen, die Ersten Dragoner, Haltung angenommen,
und zwar in voller Ausrüstung: eine kleine weiße
Pelzmütze mit schwarzem Tuch, das von oben zur
linken Schulter fiel, cremefarbene Jacken mit roten
Paspeln und schwarze Hosen mit gerade geschnittenen Beinen, die in kniehohe schwarze Stiefel gesteckt waren.
Auch die Jungen trugen ihre besten Sachen, die sie
eilig hatten erwerben müssen, als die Einladung aus
dem Palast eintraf. Die Mönche waren nicht glücklich darüber, dass ihr Zeitplan durcheinandergeriet,
aber selbst der Hohe Priester der La-timsa konnte
sich einer königlichen Einladung nicht verweigern.
Besonders Jommy war geschniegelt wie ein
Zwerghahn in seiner ersten wirklich guten Jacke aus
grünem Kord mit goldenen Knöpfen, die er offen
über einem Hemd trug, das Tad albern fand, aber es
war im Augenblick die angesagte Mode in Roldem –
weißes Leinen mit großen Rüschen entlang der Vorderseite. Dazu trug er eine enge schwarze Hose mit
knöchelhohen Stiefeln.
Zane mochte die Stiefel nicht, denn, wie er feststellte, sie waren nutzlos bei allem, wozu man richtige Stiefel brauchte, aber weniger bequem als leichte
Straßenschuhe.
Nun standen die Jungen
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