Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia
ihm Schaden zufügen wollte. »Er hat begonnen«, erwiderte sie leise. »Und er wird nicht enden, bis die Dasati vollkommen aus dieser Welt und dieser Ebene vertrieben wurden oder Kelewan in Trümmern zu ihren Füßen liegt. Ihr werdet bald etwas tun müssen, wozu kein anderer Kaiser je gezwungen war: Ihr müsst jedem Haus im Kaiserreich befehlen, zu den Waffen zu greifen, und die gesamte Armee unter Euren Befehl stellen, denn nie in seiner zweitausend Jahre alten Geschichte war das Reich einer größeren Gefahr ausgesetzt.«
Der Zorn blieb, aber die Stimme des Kaisers war nun ruhig. »Wir werden tun, was wir tun müssen. Wir sind Tsurani.«
Miranda hoffte, dass das genügen würde. »Was ist mit der Botschaft?«, fragte sie.
Der Kaiser starrte in die Ferne. »Ich … wohin sollen wir gehen?«
Miranda wusste, dass die Beantwortung dieser Frage von entscheidender Bedeutung war. Die geheimnisvolle Botschaft eines zukünftigen Pug an den Kaiser wies ihn an, sich auf eine Evakuierung vorzubereiten, ließ aber viel Raum für Interpretation. Wenn man die schlimmstmögliche Bedeutung annahm, dass jede Person von dieser Welt weggebracht werden sollte, verlangte das ungeheure An
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strengungen. Hundert Spalte würden hergestellt und Tag und Nacht betrieben werden müssen, eine Aufgabe, die für die gesamte Versammlung eine gewaltige Herausforderung sein würde. Selbst mit Hilfe der Akademie und der Insel des Zauberers würde dies ein ungeheuerliches Unternehmen darstellen.
Und all das sollte während eines Krieges gegen den gefährlichsten Feind durchgeführt werden, dem sie je gegenübergestanden hatten? Miranda wusste, was der Kaiser dachte: Es war eine unmögliche Entscheidung.
Und seine Frage hing immer noch in der Luft: Wohin würden sie gehen?
Miranda sah, wie erleichtert ihr Sohn war, als sie in dem Arbeitszimmer erschien, das ihr Mann hinten in ihrem Haus eingerichtet hatte. Sie wünschte, sie könnte darüber lächeln, aber sie wusste, sie würde ihm schnell jeden Gedanken daran nehmen müssen, dass sie hier war, um ihn aus seinen Pflichten zu entlassen.
»Mutter«, sagte er, stand auf und küsste sie auf die Wange-
»Caleb«, erwiderte sie, »du siehst aus, als würdest du vor meiner Nase altern.«
»Ich hatte keine Ahnung, wie schwierig es ist, alle Aktivitäten des Konklaves zu koordinieren und gleichzeitig diese Schule wie üblich weiterzuführen.«
»Gab es Probleme?«, fragte sie und setzte sich auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch, von dem er gerade aufgestanden war.
»Mit der Schule? Eigentlich nicht. Wie Vater mich angewiesen hat, lehnen wir Anfragen potenzieller neuer Schüler zunächst ab und konzentrieren uns darauf, weiter auszubilden, damit unsere Magier bald bereit sein werden, in dem bevorstehenden Kampf zu helfen.«
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»Und?«, fragte sie. »Wo gibt es Schwierigkeiten?« »Wir haben immer noch nichts von Kaspars Expedition zu den Bergen der Quor gehört.«
»Wie lange ist die Meldung überfällig?« »Ein paar Tage.«
»Dann würde ich mir keine Sorgen machen, bevor eine Woche vergangen ist«, sagte sie. »Erinnere mich, um was es bei dieser Mission ging.«
Caleb kniff die dunklen Augen zusammen. Er wusste, dass seine Mutter ein beinahe perfektes Gedächtnis für Einzelheiten hatte, wenn sie sich dazu herabließ, sich mit ihnen zu befassen, und erkannte, dass sie sich mit den Details der Mission nicht vertraut gemacht hatte, denn dies war eines der letzten Unternehmen, die Pug vorbereitet hatte, bevor er zur Ebene der Dasati gegangen war.
»Einer unserer Agenten in Freihafen hat eine Nachricht von einem Schmuggler für eine unbekannte Bande von Banditen abgefangen, von denen Vater annahm, dass sie entweder für Leso Varen oder mit ihm zusammenarbeiten.«
»Für ihn oder mit ihm? Er denkt, sie sind entweder nichts ahnende Spielfiguren oder willige Verbündete?«
»Etwas in dieser Richtung«, sagte Caleb. »Der westliche Strand der Berge der Quor, besonders eine große Bucht, die >Kesana-Bucht< genannt wird, und eine ungefähre Ankunftszeit waren in der Nachricht erwähnt worden …«
»Und dein Vater wollte herausfinden, um was es da geht.«
Caleb nickte. »Er wollte auch, dass einige Leute aus unterschiedlichen Gruppen zusammenarbeiteten, also hat er Nakor gebeten, mit Lord Erik über seine, äh, Irregulären aus Krondor zu sprechen, und sie haben sich mit ein paar Jungs aus Kesh und Roldem zusammengetan, unter der Führung von Kaspar.«
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»Dein Vater war wegen der
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