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Feldpostnummer unbekannt

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Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Nähe hatte ihn heiß gemacht, und der Alkohol noch zusätzlich eingeheizt.
    »Setz dich doch«, sagte sie, und fummelte am Radio herum.
    »Ja«, erwiderte er, »und stell dir vor … wie der Tanker in die Luft flog … mindestens hundert Meter hoch …«
    »Lass doch den Quatsch!«
    »Es ist schön bei dir …«, entgegnete er, »aber schließlich dürfen wir den Krieg nicht ganz vergessen …«
    Sie legte sich auf die Couch und trällerte etwas vor sich hin. Er sah in das Glas und sagte: »Stell dir vor, mein Bruder ist Ritterkreuzträger … und ich bin seiner Kompanie zugeteilt …«
    »Na, und wenn schon …«
    »Das EK I hol' ich mir bestimmt, verlass dich drauf.«
    »Heute Nacht nicht«, antwortete die Rote anzüglich. »Hier, setz dich lieber neben mich …«
    Achim tat es wie von der Schnur gezogen. »Ich will nicht hinter Thomas zurückstehen«, fuhr er fort. »Du tust ja auch deine Pflicht … wie es der Führer von unserem Kampf …«
    »Lass den Krampf«, versetzte Ingrid derb. Sie nahm seine Hand und fuhr damit über ihr Gesicht. Sie ließ seine Finger auf der Linie ihrer Oberlippe stehen. Sie merkte, daß Achims Finger unsicher wurden, und lächelte behaglich. Sie kuschelte sich fester an ihn, und er fragte, ob sie einen Freund hätte.
    »Nein«, erwiderte die Sanftrote, »ich hab' auf dich gewartet …«
    »Ich bin auch ganz allein …«, antwortete der Pimpf.
    »Du machst mir Spaß«, sagte sie und richtete sich auf, griff nach dem Glas und lehnte sich wieder zurück, genoß seine ungeschickten Hände und seinen unruhigen Atem. Sie sah, daß er ihre Beine betrachtete, und sie wußte, daß an ihnen nichts auszusetzen war.
    Achim knöpfte sich seinen Waffenrock auf, und sie zog ihn wieder an sich. Er machte sich steif, und Ingrid wurde ärgerlich.
    »Was machst du eigentlich hier?« begann Achim wieder.
    »Heiße Tage, kühle Nächte«, antwortete sie. »Und wenn so ein Pimpf wie du kommt, geh' ich mit ihm zum Standesamt … mitten in der Nacht …«
    Er küßte ihre Stirn, ihre Augen, ihren Hals. Und er starrte sie unentwegt an dabei. Keine Frau war ihm je schöner erschienen als Ingrid. Aber er kannte keine andere. Und er fragte sich, was Mutter denken würde, wenn er mit einem Mädchen ankam, das ein paar Jahre älter war als er. Und er setzte darauf, daß seine Mutter Verständnis hätte, wie immer, und er merkte, wie sein Kreuz hohl wurde, und dachte flüchtig: fehlt nur noch, daß mir wieder der Tanzlehrer mit der flachen Hand in den Rücken schlägt …
    »Ich … ich liebe dich …«, sagte Achim. Endlich hatte er es heraus.
    Ingrid lächelte.
    »Du darfst mir das glauben«, versicherte er.
    Sie nickte.
    »Auch wenn ich bloß ein gewöhnlicher Soldat bin«, setzte er hinzu, »aber ich schaff's … ich bewähre mich … krieg' das EK, und in einem Jahr bin ich schon Leutnant …«
    »Und ich warte so lange auf dich«, antwortete die Sanftrote ironisch.
    »Und dann, weißt du … als richtiger Mann, so als alter Krieger … und Nationalsozialist …«
    Die Luftwaffenhelferin wurde ernsthaft böse. Mit einem Ruck schob sie den Jungen von sich und richtete sich auf. »Weißt du was?« fauchte sie ihn an, »hau ab!«
    Er betrachtete sie fassungslos.
    »Auf was warten Sie noch?« fragte sie kalt.
    Da zog Achim Leine, knöpfte sich draußen erst die Uniformjacke zu, flüchtete mehr, als er ging, und lief stundenlang im Kreis herum, um den anderen drei nicht zu begegnen.
    Obwohl er erst vier Monate Soldat war, wußte er bereits, welches Abenteuer er den Kameraden am nächsten Tag zu erzählen hatte …
    Die alten Kleebachs kamen aus dem Kino; es war eine Klamotte gewesen, aber Arthur hatte fast nichts auf der Leinwand gesehen, sondern die ganze Zeit seine Frau von der Seite betrachtet. Er wußte, daß er Maria ablenken mußte, und so war auf sein sanftes Drängen hin der Kinobesuch zustande gekommen.
    Jetzt ging es wieder nach Hause, den Sorgen entgegen. Ecke Wieland/Lietzenburgerstraße wurde es immer stiller. Seit Wochen wußte der biedere Postbeamte schon, daß Fritz vermißt sei, und ebenso lange konnte keine Post von ihm eintreffen. Seither hatte der redliche Mann wacker gelogen, und tapfer gehofft.
    Vor ihrem Haus begegneten sie dem Ortsgruppenleiter Rosenblatt. Er sah schlecht aus, und die Lebhaftigkeit, mit der er die Familie begrüßte, wirkte unecht.
    »Gut, daß ich Sie treffe«, sagte er, »ich hätte eine Bitte …«
    »Doch nicht hier auf der Straße«,

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