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Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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so schlimm war, steigerte in mancher Weise nur noch ihren Liebreiz und ihren Zauber.
    Anfangs ist es nur schlechtes Benehmen wie bei einem verwöhnten Kind, aber wenn niemand dagegen einschreitet, muss es endlich zu Bosheit und Grausamkeit werden. Denn die Verwöhnten wollen nun einmal ihren Willen durchsetzen und Macht haben über alle anderen. Und wenn man sie lässt, dann werden sie diese Macht auch bald erproben. Und die Hüterin der Winde ließ man sehr lange Zeit ungehindert gewähren.

    Die Mutter würde sagen, sie solle nicht so viel lesen, wenn sie Albträume davon bekam. Felicity runzelte die Stirn und drückte das Buch fest an sich. Sie wollte unbedingt weiterlesen. Und außerdem: Es war ja nur ein Buch.
    »Felicity!« Die Stimme ihrer Mutter drang ins Zimmer. »Bitte! Wo bleibst du denn so lange?« Sie klang verärgert. Felicity schob den kostbaren Band unter die Decke ans Fußende des Betts und stand auf.
    »Ist das nicht schön?«, sagte die Mutter, als sich Felicity an den Frühstückstisch setzte. »Unser erster Ausflug mit eurer Großmutter.« Mrs Gallant hatte sich von ihrer Überraschung erholt und beschlossen, die Dinge so zu nehmen, wie sie waren, und das Beste daraus zu machen. Sie hatte es immer schon verstanden, sich neuen Gegebenheiten anzupassen, ohne allzu viele Fragen zu stellen.
    Ihr Gast erschien in der Tür. »Endlich aufgestanden, kleine Felicity?«, sagte sie und kniff ihre Enkelin ein bisschen zu fest in die Wange. Reflexartig strich Felicity mit dem Ärmel über die Stelle.
    Mr Gallant kam in die Küche und schenkte sich schweigend Kaffee ein. Als er sich hinsetzte, wedelte er fahrig mit der Hand durch die Luft – als ob er eine Fliege verscheuchen wollte, aber Felicity sah keine. Er wirkte, als hätte er schlecht geschlafen.
    »Ah, Papa, du bist wieder da.« Felicity freute sich, ihn zu sehen. »Guten Morgen.«
    Er schaute auf, als bemerkte er sie erst jetzt. »Sicher«, sagte er. Scheinbar kostete es ihn große Anstrengung, das Wort herauszubringen. »Es ist ein guter Morgen, ohne Zweifel.«
    Felicity musterte ihn von der Seite. Er war auch sonst oft ein bisschen zerstreut, aber heute schien er mit seinen Gedanken ganz weit weg zu sein. »Mama hat sich gestern Abend darüber gewundert, dass du nicht da warst«, sagte sie vorsichtig. Auf Fragen reagierten ihre Eltern häufig mit missbilligendem Stirnrunzeln, aber Felicity hätte nur zu gerne gewusst, warum ihr Vater plötzlich verschwunden war, als ihr geheimnisvoller Gast auftauchte.
    »Ich war ausgegangen«, sagte Mr Gallant zögernd.
    Felicity sah ihn irritiert an. Es kam ihr fast so vor, als wüsste er nicht recht, wer sie war. »Ach so«, antwortete sie, obwohl ihr das alles vollkommen unverständlich war.
    »Gut, gut …«, murmelte Mr Gallant, massierte seine Beine und wackelte mit dem Kopf.
    Das sonderbare Benehmen ihres Vaters machte Felicity Sorgen, aber diese wurden schon bald wieder von den Gedanken an die Sturmwolke verdrängt.
    Als sie zum Kai kamen, hatte sich dort bereits eine Anzahl Neugieriger eingefunden, die den schwachen Schein der Herbstsonne genossen. Der Besitzer eines Boots ruderte gegen Bezahlung Leute rund um das Schiff, sodass sie es aus der Nähe und von allen Seiten betrachten konnten. Weniger Wagemutige blieben an Land und ließen sich von einem Führer alles erklären.
    Ganz verloren in ihrer eigenen kleinen Welt, folgte Felicity ihrer Mutter, der Großmutter und Poppy zur Fähre. Sie ahnte nicht, dass sie von lauter Leuten umgeben war, die ein handfestes Interesse an ihr und der Sturmwolke hatten.
    Familien mit Kleinkindern spazierten bei den Landungsbrücken umher, während ältere Ehepaare mit ihren Sandwiches und Ferngläsern freundschaftlich schweigend auf Bänken saßen. Jugendliche rannten mit ihren Freunden durch die Menge. Und überall spekulierten und mutmaßten die Leute, warum wohl die Sturmwolke nach so langer Zeit wieder nach Wellow zurückgekehrt war.
    Etliche Segelboote lagen in einer Reihe nebeneinander etwas entfernt vom Kai im Hafenbecken vertäut. In einem besonders alten Kahn saßen Jeb Tempest und sein Großvater. Isaac stopfte seine Pfeife und sah nachdenklich zur Sturmwolke hinaus.
    »So eindrucksvoll wie eh und je«, bemerkte er. »Die Herrin hatte immer schon ausgezeichneten Geschmack.«
    Jeb schnaubte ärgerlich.
    Felicity ließ ihren Blick durch den Hafen schweifen und zuckte zusammen, als sie in einem der Boote den Jungen erkannte, der letzte Nacht vor dem Haus

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